Das größte Bundesland der Republik, Nordrhein-Westfalen, arbeitet aktuell mit Hochdruck am Aufbau eines Online-Portals für Studium und Lehre mit dem Namen ORCA.nrw (Open Resources Campus NRW). Dafür werden 37 staatliche Hochschulen des Landes miteinander vernetzt, was einer logistischen Meisterleistung gleichkommt. Das Portal ist Anfang März in einer vorläufigen Version an den Start gegangen, am 1. Juli sollen das Angebot und das Netzwerk komplett sein.
"Corona hat die Entwicklung noch einmal beschleunigt", sagt ORCA-Geschäftsführer Markus Deimann, allerdings sei die Pandemie nicht der Auslöser für die Initiative gewesen. "An den nordrhein-westfälischen Hochschulen gibt es eine lange Tradition des E-Learnings", sagt er. Angesichts der rasanten Entwicklungen in der Digitalisierung habe man die Kräfte bündeln wollen. Wobei der Begriff E-Learning nicht mehr wirklich passt. Die Digitalisierung der Hochschulen umfasst mehr als nur die Lehre; auch Verwaltung, Forschung, Vernetzung und Kommunikation stehen im Fokus des technologischen Wandels. Entscheidend dabei sei es, diese Entwicklung so zu systematisieren, dass alle Hochschulen "auf einem ähnlichem Stand sind und sich auf einer Metaebene besser austauschen und abstimmen können, um gemeinsam die digitale Transformation gestalten zu können", erläutert Deimann.
Die Landesregierung gewährt 70 Millionen Euro für hochschulübergreifende Digital-Projekte
Unterstützung kommt vom Land NRW, das sich organisatorisch und finanziell beteiligt. "Die Landesregierung treibt die Digitalisierung der Hochschulen zielgerichtet voran. Die Synergien, die sich aus der Zusammenarbeit ergeben, werden allen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen, den Studierenden und Lehrenden zugutekommen", sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Rahmen der Vereinbarung sollen den Hochschulen in den Jahren bis 2023 insgesamt rund 70 Millionen Euro für hochschulübergreifende Digitalisierungsprojekte zur Verfügung gestellt werden.
Die Geschäftsstelle des Landesportals hat ihren Sitz an der Ruhr-Universität Bochum. Aktuell sind acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter damit beschäftigt, die unterschiedlichen Bereiche wie IT-, Content-Management oder Netzwerkkoordination aufzubauen und zu betreuen. Perspektivisch sollen rund 20 Menschen in der Geschäftsstelle arbeiten.
Die technische Infrastruktur bietet zahlreiche Optionen: Vorlesungen und komplette Kurse zum Selbststudium werden dort zu finden sein. "Lehrende können also eine Präsentation oder ein Modul, von dem sie denken, dass es auch für Kolleginnen und Kollegen sowie Studierende anderer Hochschulen von Interesse sein könnte, hochladen. Die Interessenten können damit arbeiten und es im Idealfall weiterentwickeln", sagt Deimann. Mit "Moveo" wird ein Test offeriert, bei dem sich Hochschüler gezielt Gedanken über ihre Motivation machen können: Wie zufrieden sind sie mit ihrer aktuellen Studiensituation? Wie viel Spaß macht das Studium und wie hoch ist das Interesse an den Inhalten? Können sie die Anforderungen meistern?
Auch Schülerinnen und Schüler dürfen das Portal nutzen
Jede der 37 Hochschulen hat eine Netzwerk-Stelle mit festen Ansprechpartnern, die sich regelmäßig mit Kolleginnen und Kollegen anderer Hochschulen austauschen. Die primäre Zielgruppe des Portals bilden zwar die Lehrenden und Studierenden an den Hochschulen, doch auch Absolventen, Schülerinnen und Schüler sowie lebenslang Lernende erhalten Zugang zu dem Portal. In der vorläufigen Version gibt es bereits Online-Kurse wie "Studi Vemint" und OMB+, die es Interessierten ermöglichen sollen, ihr mathematisches Verständnis am Übergang von der Schule zur Hochschule zu verbessern.
Damit auch alle Interessierten darauf zugreifen können, müssen die Bildungsmaterialien als sogenannte Open Educational Resources (OER) lizenziert sein und können dann frei und kostenlos genutzt, bearbeitet und weiterverbreitet werden. Deimann zufolge sorgt ein riesiger landesweiter Datenspeicher dafür, dass man nicht mehr jede Hochschule einzeln durchsuchen muss, um an bestimmte Inhalte zu kommen. "Letztlich ist es vor allem ein Angebot an die Lehrenden, Inhalte zu teilen, im Idealfall gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren und so Synergien zu schaffen", resümiert er.
Mit der Einrichtung eines Landesportals beschreitet NRW einen Weg, den zuvor schon Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder Bayern gegangen sind. Der Freistaat hat mit der Virtuellen Hochschule Bayern (VHB) bereits vor 20 Jahren ein Portal geschaffen, das die digitalen Angebote aller staatlichen Hochschulen koordiniert. "Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass nicht nur die Digitalisierung in der Lehre vorangebracht wird, sondern dass auch der persönliche Austausch zwischen den verschiedenen Hochschulen eine neue Dimension erfährt", unterstreicht Deimann. Manche Bundesländer machen sich gerade auf den Weg, wie etwa Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg Vorpommern. Das Netzwerk dürfte also weiter wachsen.