Alexej Nawalny:Das nächste Opfer des Kreml

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Weltweite Erschütterung: Blumen und Bilder liegen nach dem Tod Nawalnys vor der russischen Botschaft in Berlin. (Foto: Fabian Sommer/dpa)

Der Tod des Putin-Kritikers im sibirischen Straflager bewegt die Leser der SZ. Sie sind sich einig, wer die Verantwortung dafür trägt.

"Erschüttert von Nawalnys Schicksal" vom 17. Februar:

Politische Gegner als Kriminelle

Als mutiger Bürger seines Landes setzte Alexej Nawalny sich für Freiheit und Demokratie ein und bezahlte es mit seinem Leben. Damit reiht er sich ein zwischen Andrej Sacharow und Alexander Solschenizyn, die zwar nicht ermordet, aber ebenfalls ihrer bürgerlichen Grundrechte beraubt wurden.

Nawalny musste erleben, wie die junge Demokratie in Russland von einer korrupten Minderheit gekapert wurde, die mit wachsenden Repressionen ihren Herrschaftsanspruch gegenüber der mundtot gemachten Mehrheit durchsetzte. Von "ordentlichen" Gerichten wurde er "nach gültigem Recht" wegen "Extremismus" verurteilt, überwacht, vergiftet, gefangen genommen und im Polarkreis isoliert. Die Freiheitsbewegung bekam Fesseln und Maulkörbe verpasst, und ihre Forderungen wurden in den Medien Russlands konsequent totgeschwiegen. Der Schritt zum Verbot hoffnungsvoller Oppositionsparteien war daraufhin naheliegend.

Und da eine schweigende Mehrheit eher bereit ist, den Regierungslügen Glauben zu schenken, als sich dem Risiko einer eigenen Meinungsbildung auszusetzen, ist es in Russland auch heute wieder so, wie es der Bürgerrechtler Alexander Solschenizyn einmal mit folgenden Worten beschrieb: Typisch für ein gegen das eigene Volk gerichtetes System ist es, Kriminelle zu schonen, aber politische Gegner als Kriminelle zu behandeln.

Martin Hartmann, Babenhausen

Wo sind die Putin-Versteher?

Wo sind jetzt die blauäugigen, unbegrenzt naiven Putin-Versteher, allen voran Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer? Hat ihnen das die Augen geöffnet? Gehen sie nun demonstrieren und unterschreiben Petitionen gegen Putin? Denken sie etwa an Anna Politkowskaja, Alexander Litwinenko, Natalja Estemirowa, Anastassija Baburowa und viele andere, die kalt entsorgt wurden?

Und nur zur Erinnerung für die Wahlen hier bei uns in Österreich: 2016 war eine hochrangige Delegation einer gewissen Partei in Moskau, um mit der Putin-Partei "Einiges Russland" einen Pakt, eine "Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation" zu unterzeichnen. Ziel des Paktes der FPÖ mit der Putin-Partei war unter anderem die "Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und Arbeitsfreude".

Diese - sonst recht lautstarke - Partei sollte diesen Vertrag vollständig offenlegen, eidesstattlich darlegen, ob er noch gilt, und belastbar beweisen, ob oder ob nicht Gelder an sie geflossen sind, auf welchem Wege auch immer. Übrigens, in Russland wäre eine Partei mit so ähnlichem Kooperationsvertrag wahrscheinlich sofort als "ausländischer Agent" verboten.

Hartlieb Wild, Sistrans (Österreich)

Eines der größten Unrechtsregime

Der Tod des couragierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny wirft erneut ein bezeichnendes Schlaglicht auf das diktatorische Vorgehen des Autokraten und Menschenverächters Wladimir Putin. In der Russischen Föderation muss jeder, der seine Meinung artikuliert, damit rechnen, an Leib und Leben nicht nur bedroht zu werden, sondern mit dem Tode zu bezahlen. Wäre mal interessant zu wissen, wie in der Bundesrepublik die Freunde Putins, ob in der AfD oder dem neuen "Bündnis Sahra Wagenknecht", auf die Todesnachricht reagieren.

Die Wege des Autokraten Putin sind mit Gequälten und Toten gepflastert. Als Mitglied von Amnesty International setze ich mich seit vielen Jahren für Nawalny und andere Kreml-Kritiker ein, während die Putin-Versteher offensichtlich bis jetzt nicht begriffen haben, dass es auch im Ukraine-Krieg um unser aller Freiheit geht. Ein menschenwürdiges Leben setzt meiner Ansicht nach voraus, dass man seine Meinung frei und ungehindert und ohne Bedrohung durch Repressalien äußern kann. Das Regime Putins ist eines der größten Unrechtsregime auf dieser Welt und es wird erst Ruhe geben, wenn der Diktator Putin entmachtet ist und vor Gericht gestellt wird.

Manfred Kirsch, Neuwied

Punktgenau zur Sicherheitskonferenz

Zeitgleich und eindeutig nicht zufällig mit dem Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz endete das heldenhafte Leben des Kreml- und Putin-Kritikers Alexej Nawalny. Wie in ungezählten anderen ähnlichen Fällen besteht kein Zweifel über den für den Tod Nawalnys verantwortlichen Auftraggeber. Der russische Kriegsverbrecher im Kreml instrumentalisiert dessen Tod punktgenau, um den auf der Münchner Sicherheitskonferenz versammelten Staatsführern und hochrangigen Politikern seine halbgottähnliche Allmacht zu demonstrieren. Er ist, ohne physisch an der Konferenz teilzunehmen, das dominierende Gesprächsthema der Konferenzteilnehmer. Als ehemaliger KGB-Offizier wird er wissen, wie und wann man politische Attentate inszeniert, damit sie sich in das kollektiv-internationale Gedächtnis einbrennen. Bekanntlich ist es eines der Kennzeichen seiner "Spezialoperationen", einen im Grunde schon lange vor einem gerichtlichen Pseudourteil zum Tod Verurteilten einer langen und unvorstellbar leidvollen, menschenverachtenden, sadistischen Quälerei auszusetzen, bevor die finale Entscheidung zur Auslöschung seines Lebens gefällt wird.

Es bleibt abzuwarten, welche Rechtfertigungsnarrative Putins deutsche Fangemeinden von den AfD-Oberen über Sahra Wagenknecht bis zu Gerhard Schröder kreieren werden, um den "Beweis" dafür zu liefern, dass die Verantwortung für den Tod Nawalnys bei der Nato, der deutschen Regierung oder der "Kriegstreiberei der Grünen" liegen müsse.

Dr. Michael J. Kindl, München

Gescheiterte Allmachtsdemonstration

Die Nachricht vom Tod Nawalnys ist nicht nur schockierend, sondern höchst deprimierend. Ich habe immer gehofft, dass er Putin einmal als Präsident ablösen könnte. Denn Nawalny war eine starke Persönlichkeit. Er war kommunikativ, während Putin verschlagen ist. Er hätte Wahlen auf demokratische Weise gewinnen können, während Putin sie nur gewinnt, indem er aussichtsreiche Gegner beseitigt.

Nawalny hätte Russland demokratischer machen und damit auch ganz Europa als Freund gewinnen und vielleicht Russland zu einem Primus inter Pares in einem vereinigten Europa machen können. Ob Nawalny diese Erwartungen erfüllt hätte, wissen wir nicht. Aber allein der Gedanke daran, was ein gutes demokratisches Russland für Europa bedeuten könnte, erklärt auch unsere tiefe Trauer über seinen Tod. Wenn Putin seine Allmacht zeigen wollte, so ist er doch jämmerlich gescheitert. Er konnte Nawalny töten lassen, das kann jeder Straßenräuber, aber Putin konnte Nawalny nicht brechen. Das ist doch die Botschaft, die wir mitnehmen dürfen. Und Nawalny wird Vorbild sein für Nachfolger.

Dr. Rainer von Mellenthin, München

Opposition aus dem Exil

Die Frau von Herrn Nawalny sollte Russland meiden. Da sie erklärt hat, die Nachfolge ihres Mannes anzutreten, ist es ein Leichtes, sie auch in Straflager ihres Landes zu sperren. In unserer freien Welt hat sie mehr Möglichkeiten, ihren Einfluss geltend zu machen. Die Medien helfen ihr dabei. Putins Gefangene zu werden, wäre ihr Tod. Das sollten ihre Kinder nicht auch noch erleiden. Es ist nicht nur ein Mann, es sind Tausende, die diesen Weg gehen mussten, und das nicht erst seit Stalins und jetzt Putins Zeiten. Diese, ihre Stimme muss für die in Russland Verbliebenen tatkräftig vernehmbar sein und bleiben.

Hans Eckhard Lentz, Erftstadt

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