Altersvorsorge:Rentengerechtigkeit mit Luft nach oben

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SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: N/A)

Von einer staatlichen Aktienrente halten Leserinnen und Leser nichts. Dafür sehen sie Chancen bei flexiblerem Renteneintritt - und bei Angleichung von Rente und Beamtenpension.

"Was von der Rente bleibt" vom 28./29. Januar, "Brauchen wir noch ein Renteneintrittsalter?" vom 21./22. Januar, "Was die Aktienrente bringt" vom 16. Januar und "Meine Generation hat über ihre Verhältnisse gelebt" vom 9. Januar:

Flexiblerer Rentenbeginn

Ja, wir brauchen ein festgelegtes Renteneintrittsalter. Denn viele Bürger brauchen eine Orientierung, brauchen ein fixes Datum für ihre Planungssicherheit. Derzeit liegt es bei 67 Jahren für alle, die 1964 oder später geboren sind. Wir brauchen allerdings eine noch viel stärkere Flexibilisierung. Es sollte jedem freigestellt sein, auch deutlich vor dem festgelegten Renteneintrittsalter in den Ruhestand gehen zu können, mit entsprechenden Abschlägen. Daneben sollte jeder Bürger problemlos weiterarbeiten können, auch nach Erreichen des Renteneintrittsalters: Bereits jetzt wird das von Bürgern genutzt - und es werden jährlich mehr. Dieses Potenzial sollte weiter ausgeschöpft werden, denn wir haben bereits jetzt einen eklatanten Mangel an Arbeitskräften. Der Staat sollte dafür starke Anreize schaffen: Halben Steuersatz oder weniger für alle, die weiterarbeiten nach dem Renteneintrittsalter. Denn die Rentnerinnen und Rentner haben ja bereits ein ganzes Arbeitsleben Steuern bezahlt. Zudem werden viele Seniorinnen und Senioren immer fitter - dieses gewaltige Potenzial sollte genutzt werden.

Dr. Eberhard Meier, Amberg

Solidarbeitrag geleistet

Prof. Monika Schnitzer, die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, tut im SZ-Interview so, als wären die Babyboomer unsolidarische Zeitgenossen, die das Rentensystem aussaugen und an den Rand des Zusammenbruchs führen werden. Zunächst haben die vielen Babyboomer in den vergangenen 25 Jahren mit ihren Beiträgen dafür gesorgt, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung nicht nur stabil gehalten, sondern sogar abgesenkt werden konnte: Laut Rentenversicherung lag der Beitragssatz 1997 bei 20,3 Prozent, während er 2022 lediglich bei 18,6 Prozent lag.

Zugleich wurden die Leistungsansprüche der Babyboomer mehrmals verringert durch Absenkung des künftigen Rentenniveaus. Vor allem aber ist das reguläre Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre angehoben worden - dies trifft voll die Generation der Babyboomer. Die Anhebung des Rentenalters bedeutet finanziell betrachtet eine Rentenkürzung um zwei Jahresrenten. Dies ist ein erheblicher Solidarbeitrag.

Laut Daten der OECD (2019) ist das deutsche Rentensystem im internationalen Vergleich sehr leistungsfähig und vergleichsweise günstig. Das Rentensystem in Deutschland kostet 10,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In Frankreich ist es im Vergleich mehr als 30 und in Italien mehr als 50 Prozent teurer. In Frankreich liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter noch immer bei 62 Jahren, in Deutschland bei bald 67 Jahren. Es ist also nicht so, dass nichts passiert wäre, um die Rentenversicherung zu stabilisieren - durchaus zu Lasten der Babyboomer.

Michael Leonhart, München

Üppige Pension, schmale Rente

Im Interview mit Monika Schnitzer fällt der Satz: "Wer üppige Rentenansprüche erarbeitet hat, bekäme dann etwas weniger." Sie hat sicherlich einige zutreffende Aussagen gemacht, aber für diesen Satz gebührt ihr eine verbale Watschn. Während Frau Schnitzer als Hochschullehrerin sicherlich mit einer vergleichsweise üppigen Pension rechnen kann, verbietet sich der Gebrauch des Wortes "üppig" im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rente in Deutschland von selbst. Soweit ich herausfinden konnte, liegt die theoretisch erreichbare höchste gesetzliche Monats-Rente derzeit bei 2791,51 Euro, nach Abzug von Kranken- und Pflegeversicherung, aber vor Steuern. Abgesehen davon, dass diese Rente nur in seltenen Ausnahmefällen wirklich erreichbar ist, wird ein Rentner mit dieser Rente (wahrscheinlich meistens ein Mann) bei Anmietung einer durchschnittlichen Drei-Zimmer-Wohnung in annehmbarer Lage in München zwar nicht verhungern, aber doch ein eher bescheidenes Leben führen, wenn er nicht noch über substanzielle Einkünfte aus Firmenrente oder Ersparnissen verfügt. Einen Pflegeplatz könnte man von dieser Rente eher nicht bezahlen.

Andreas Renner, München

Skandalöse Besteuerung

Dass der individuelle Rentenfreibetrag ein fester Euro-Betrag ist und nicht bei Rentenerhöhungen automatisch mitangepasst wird, ist ein Skandal und eine Unverschämtheit. Hier ist dringend Reformbedarf.

Toni Vollmer, Bonn

Zocken für die Rente?

Ein Aspekt fehlte mir bei Ihrer Erörterung der Vor- und Nachteile einer Altersvorsorge, die teilweise durch Dividenden erwirtschaftet wird (Aktienrente): der politische Hebel, den die Börsianer/-innen damit in die Hand bekommen. Wenn die Rente der breiten Bevölkerung erst einmal (zumindest teilweise) davon abhängt, wie die Börse läuft, dann bekommt jedes Murren "der Märkte" ein völlig anderes politisches Gewicht. "Die Märkte sind besorgt", "Die Märkte reagieren empfindlich" - schon jetzt spielt dieses anonyme, schwer greifbare Wesen eine zu große Rolle in der wirtschaftspolitischen Diskussion, obwohl das Geraune meist an kurzfristigen Kursschwankungen orientiert ist. Um den ursprünglichen Zweck der Börse, nämlich die Beschaffung von Kapital für Investitionen, geht es ja längst nicht mehr ausschließlich. Das von der Realwirtschaft abgekoppelte Zocken mit Aktien hat sich verselbständigt. Sollte man die gemeinschaftliche Aufgabe der Alterssicherung, also den Generationenvertrag, wirklich in die Hände der Zockerinnen und Zocker legen? Und "den Märkten" so die Gelegenheit verschaffen, politische Projekte zu torpedieren? Wenn ein politisches Vorhaben zwar dem Gemeinwohl dient, dem Casino, das die Börse zu Teilen geworden ist, aber nicht behagt, kann es künftig mit dem populistischen Argument attackiert werden, dadurch gerate "Omas kleine Rente" in Gefahr. Das wird Maßnahmen zum Klimaschutz, gegen soziale Ungleichheit et cetera politisch noch weiter erschweren. Dass das der FDP gefällt, überrascht mich nicht - aber wollen wir als Gesellschaft das wirklich?

Dr. Oliver Thomas Domzalski, Hamburg

Kluft zur Beamtenpension

Ein Beamter hat nach 40 Dienstjahren bei einem Nettogehalt von 4500 Euro im Monat einen Anspruch auf eine Pension von 3240 Euro monatlich (71,75 Prozent der letzten Nettovergütung) - also fast 1000 Euro mehr als ein Rentenbezieher mit gleichem Nettoverdienst mit theoretischer Maximalrente nach 45 Beitragsjahren. Diese extreme Diskrepanz überfordert noch viel mehr die staatlichen Ausgaben, da hier ja keine Versicherungszahlungen im Laufe des Berufsleben erfolgen und das Thema Generationenbelastung komplett außen vor gelassen wird.

Wie man anhand von diesem kleinen Zahlenspiel erkennen kann, ist politisch viel zu korrigieren bei den Altersbezügen, um sie zukunftsfähig zu machen. Wer macht es? Ich sehe keine politische Kraft in diesem Lande, die dies anpacken wird. Das ist frustrierend. Allerdings noch viel mehr für unsere Kinder!

Günter Raatz, Olching

Privilegierten-Perspektive

Frauen aus der Generation der Babyboomer hatten weniger Chancen am Arbeitsmarkt als junge Frauen heute. Sie sind nach Jahren der Kindererziehung, Angehörigenpflege, sozialem Ehrenamt sowie beruflicher Teilzeit- und späterer Vollzeiterwerbstätigkeit ebenso erschöpft wie viele Menschen mit einer kontinuierlichen Erwerbsbiografie. Wenn sie Abschläge vor ihrem regulären Renteneintrittsalter in Kauf nehmen, ist das auch ein Statement: Ich will Zeit für Erholung, Gesundung und Regeneration, um die letzten Lebensjahre aktiv und so lange wie möglich selbstbestimmt gestalten zu können. Viele leisten dann wieder Sorgearbeit und sind in der Enkelbetreuung, Elternpflege und im Ehrenamt tätig. Sie entlasten die erwerbstätige Generation und schließen die Lücken des Sozialstaates. Wenn sie sich auch eine schöne Zeit machen, sei ihnen das gegönnt.

Wer glaubt, mit 70 Jahren und darüber hinaus erwerbstätig sein zu können, sollte ehrlicherweise zugeben, dass das nur für privilegierte Menschen möglich ist. Sie sind gesund, haben sehr gute organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen für ihre Erwerbstätigkeit und Menschen an ihrer Seite, die sie von Sorgearbeit entlasten. Viele leben von einem in den letzten 50 Jahren gewachsenen Vermögen, dank der für sie günstigen volkswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen. Zu den Benachteiligten in unserer Gesellschaft gehören sie nicht. Eine Politikberatung von Wirtschaftsweisen kann nur überzeugen, wenn sie die gesellschaftspolitische Gesamtschau im Blick hat und bei einer Rentenreform nicht diejenigen einseitig weiter benachteiligen will, die sich nicht wehren können. Wir brauchen wieder mehr weise Sozialpolitiker/-innen, die für gerechte Reformen und den dringend nötigen sozialen Ausgleich Sorgearbeit leisten.

Brigitte Rüb-Hering, Gilching

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