Leserbriefe:Krankes Krankenhaussystem

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Reformbedürftig - und Diskussionsstoff: Deutschlands Krankenhäuser. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Muss das deutsche Gesundheitswesen effizienter werden? Zum aktuellen Eckpunktepapier für Kliniken haben SZ-Leser unterschiedliche Ansichten.

"Wir haben zu viele zu schlechte Krankenhäuser" vom 21. Juli und "Viele vermeidbare Todesfälle in Kliniken" vom 22. Juni:

Probleme sind hausgemacht

Maßgeblicher Verursacher der gegenwärtigen Krise der Krankenhäuser sind neben dem gesellschaftlichen Wandel mit zunehmender Infragestellung der Vereinbarkeit zwischen Privat- und Arbeitsleben die politischen Entscheidungsträger.

Mit dem Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) im Dezember 1988, damals unter der Federführung des Sozialministers Norbert Blüm, wurde die ehemals kommunale Verantwortung für die Krankenhäuser dem Gesundheitsmarkt überlassen. Nach Knieps und Reiners (Franz Knieps, Hartmut Reiners: "Gesundheitsreformen in Deutschland"; d. Red.) wurde durch das GRG der Schutz der besonders Bedürftigen aufgegeben und für einen Ressourcenverteilungskampf in der Wachstumsbranche Gesundheitsmarkt ausgetauscht. Der sozialmedizinische Auftrag und die primäre Aufgabe der Humanmedizin wurden aufgegeben und der Beliebigkeit der Marktkräfte überlassen.

Mit der Einführung der DRGs (diagnosis related groups, Fallpauschalen) zu 100 Prozent, ein international einmaliger Vorgang, wurden falsche Anreize gesetzt und die Grundlagen für die finanzielle Schieflage geschaffen.

Die fortlaufende Ausweitung der sozialen Leistungen im Interesse der Familien wie der Elternzeit und ab Januar 2024 der geplante Vaterschaftsurlaub, in Verbindung mit anderen Faktoren wie Anstieg der Fehlzeiten durch erhöhte Anzahl der Krankheitstage, Risikoschwangerschaften und anderes, sind nicht mehr mit einem 24/7-Betriebsmodus vereinbar. Die Flucht des demotivierten Personals vom Krankenbett bei gleichzeitig enorm ansteigendem Personalbedarf sind mit abnehmender Qualität der Patientenversorgung verbunden.

Die Hauptziele der geplanten Gesundheitsreform, die Verbesserung der Qualität der Behandlung der Patienten bei gleichzeitiger Sicherung der Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, werden durch die geplante Krankenhausreform nicht erreicht, solange die Identität der Krankenhäuser, egal welcher Versorgungsstufen, als sicherer "Hafen der Gesundheit" für die Patienten und attraktiver Arbeitsplatz für die Beschäftigten nicht wiederhergestellt wird. Der Beitrag der Politik sollte, wie in der Medizin üblich, mit einer sorgfältigen Diagnose der in der Tat ursächlich komplexen Krise des Gesundheitswesens beginnen und nicht mit der erneuten Blaupause einer Hauruck-Therapie.

PD Dr. med. habil. Peter Lanzer, Bitterfeld-Wolfen

Überfällige Reform

Endlich hat ein Gesundheitsminister genug Mut und Fachwissen, um eine lang fällige Krankenhausreform zu verabschieden! Obwohl Lauterbach schon 2002/2003 einen kompletten Entwurf zur Krankenhausreform ausgearbeitet hatte, braucht es unglaubliche 20 Jahre, bis ein Ministerium, das bis dato nur von Inkompetenz und wenig Durchsetzungskraft geführt wurde, diesen Schritt zielstrebig angeht.

Unzählige Geschichten aus meiner Patientenschaft und aus eigener Erfahrung haben mich immer wieder erschüttert und wütend gemacht. Einerseits die Unwissenheit der Patienten, die sich an ihr Heimkrankenhaus wenden und anscheinend von ihrem überweisenden Arzt nicht aufgeklärt wurden, andererseits Ärzte, die sich auf eine ignorante und arrogante Art und Weise überschätzen und Operationen durchführen, die sie nur drei bis vier Mal im Jahr machen, und auch nicht über dementsprechendes Personal verfügen, obwohl sich in der gleichen Stadt ein zertifiziertes Zentrum für zum Beispiel Pankreas-Erkrankungen oder Ovarialkarzinome befindet.

Verfügt der betroffene Patient nicht über eigenes medizinisches Fachwissen oder hat ärztlichen Rat in Familie oder Freundeskreis, besteht die berechtigte Gefahr, früher zu versterben. Ich selbst hatte das Glück, genügend medizinische Beratung in der Familie gehabt zu haben und im europäischen Pankreaszentrum Heidelberg operiert worden zu sein.

Cornelia Bönniger, Essen

Der Patient sollte die Wahl haben

Wer immer sich heute ein neues Auto, einen Kühlschrank oder auch nur einen Staubsauger kauft, recherchiert vorab im Netz, liest Vergleichstests und Rezensionen. Warum sollte dies bei medizinisch notwendigen Eingriffen anders sein, sind diese doch ungleich wichtiger und weittragender. Es ist längst überfällig, auch hier für Transparenz zu sorgen, wie es Herr Lauterbach plant, zumal die Daten offenbar vorhanden sind. Dann wird der Kunde, respektive der potenzielle Patient entscheiden, wo er sich die Schulter, die Hüfte oder das Knie operieren lässt. Gewissermaßen entscheidet damit der Markt, welche Kliniken in Zukunft noch welche Dienstleistungen anbieten werden und wo sich das noch rechnet.

Gerhard Fink, Putzbrunn

Düstere Zukunft für Krankenhäuser

Als junge Assistenzärztin ist es schockierend, diesen Artikel zu lesen. Ich habe von einer Uniklinik an ein mittelgroßes Haus gewechselt und meine Ausbildung leidet sehr darunter. Wie sieht eine Zukunft der Krankenhäuser aus, in der man mehr darauf achten muss, Patienten und Patientinnen möglichst schnell wieder zu entlassen, als ihnen Zeit für eine Genesung zu geben? Wie sieht mein weiterer Bildungsweg aus, in dem kaum Zeit ist für Lehre und Fragenstellen? Ich kann nach einem 14-Stunden-Dienst die Notaufnahme wieder verlassen und Feierabend machen - die kranken Menschen, die da aber stundenlang warten, um behandelt zu werden, können es nicht.

Ich möchte keinen anderen Job auf dieser Welt machen, aber ich wünschte mir, die Verantwortlichen kommen mal mit in die Welt, von der da gesprochen wird.

Esther Röll, Hagen

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