Ramadan:Blackbox Islam

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Gehört zum Ramadan: Iftar, das abendliche Fastenbrechen. (Foto: Eman Helal/dpa)

Ein gesegnetes Ramadan-Fest wünscht der deutsche Einzelhandel Muslimen und Musliminnen - begleitet von entsprechenden Produkten. Doch was wissen Deutsche eigentlich über die Religion?

"Schönes Fest" vom 10. April:

Nicht im Sinne des Erfinders

Der Beitrag zum Ramadan in der muslimischen Diaspora endet mit einem Appell an die Muslime, sie sollen sich nicht von Oberflächlichkeiten wie Pappaufstellern und Ramadan-Kalendern von der spirituellen Seite des Ramadans ablenken zu lassen. Das tun sie aber zumindest mehrheitlich, und hier sehe ich Parallelen zu den christlichen Religionen, die auf diesem Weg schon viel weiter fortgeschritten sind.

Als deutscher Muslim mit familiärem Anhang in Marokko lebe ich kulturell seit 30 Jahren in zwei Welten. In Bezug auf Unkenntnis, Abneigung und Vorurteile wird viel auf die Religion geschoben. Muslime leben in Gesellschaften, die von der Religion des Islam geprägt oder beeinflusst sind. Die einen mehr - die anderen weniger. Das religiöse und spirituelle Konzept des Fastenmonats ist ein ganzheitliches und sozial umfassendes. Das kommt in dem Beitrag zum Ausdruck.

Viele Muslime reduzieren diese Philosophie in geradezu dogmatischer Weise auf das reine Fasten. Abends wird aufgetischt, dass sich die Balken biegen. Die Strandpromenade in Agadir mutiert zur Partymeile. Der Tag wird nach Möglichkeit mit Müßiggang verbracht und man lebt sozusagen von iftar zu iftar (dem abendlichen Fastenbrechen). Manche Muslime nehmen im Ramadan sogar an Gewicht zu. Ansonsten bleibt alles beim Alten. Das war so nicht im Sinne des Erfinders.

Es ist erfreulich, dass eine vom Islam geprägte Identität inzwischen sichtbarer wird. In Frankfurt am Beispiel der Lichterketten oder die Tatsache, dass muslimische Kinder am Fest zum Ramadan-Ende ( eid-ul-fitr) einen Tag schulfrei bekommen. Wurde auch Zeit angesichts der Tatsache, dass Muslime inzwischen hier in dritter und vierter Generationen leben.

Dass für viele Deutsche dieses Thema noch eine Blackbox darstellt, ist für mich nicht weiter verwunderlich, aber auch nicht weiter dramatisch. Das kann man soziologisch erklären. Selbst ich als deutscher Muslim, der säkular und nicht praktizierend lebt, weder fastet noch betet und Alkohol trinkt und Schweinefleisch isst, habe zu praktizierenden Muslimen im Alltag keinen Kontakt, obwohl ich genau weiß, was in der Blackbox Islam drinsteckt und die religiös-spirituelle Seite dieser Religion jahrelang aktiv gelebt habe.

Dr. Muhammed-Ronald Wellenreuther, Weinheim

Wir gegen die

Ein ohne Frage unterhaltsamer Artikel über das menschliche "Einander-nicht-verstehen-Wollen". Allerdings tragen Sie zu diesem "Wir gegen die" bei, wenn Sie das Unverständnis der Sabines dieser Welt über Praktiken, die aus aufgeklärter, humanistischer Sicht nun mal nicht erklärbar sind, durchaus verächtlich quittieren. Man muss sich auch als aufgeklärter Christ heutzutage fragen, wieso man immer noch Millionen Tannenbäume zu Weihnachten schlägt, nur damit diese ein paar Tage ein trostloses Dasein in deutschen Wohnzimmern fristen.

Ich denke, diese Erde wird man nur retten, wenn wir dieses "Wir gegen die" endlich ablegen: Wieso werden Menschen in sinnlose religiöse Praktiken teils von Geburt an vereinnahmt, um dann in bestem Fall sich einfach gegenseitig nicht zu verstehen, im schlimmsten Fall jedoch in religiöse Kriege oder Unterdrückungsszenarien gezogen zu werden?

Diese Erde hat leider ganz andere Probleme, um die sich Menschen gemeinsam bemühen müssten, statt ihren Landesstolz oder Religionsstolz oder was auch immer gegeneinander auszutragen.

Es wird Zeit für eine neue Form der Organisation von acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten Erde. Die globalen Probleme lassen sich nicht mit Partikularinteressen von bestimmten Staaten oder Religionen lösen. Die Erde bräuchte einen Neustart von aufgeklärten, intelligenten Menschen, die nicht mehr länger in der Steinzeit oder im Mittelalter leben wollen, sondern auf Basis der heutigen Erkenntnisse das Beste für die Menschen und Lebewesen und Natur dieses Planeten erreichen wollen.

Keine Waffen mehr, kein Dürsten mehr am helllichten Tage trotz anstrengender Arbeit, keine sinnlos gepflanzten Tannenbäume mehr (mit hohem Wasserverbrauch und Verlust an Nahrungsmittel erzeugenden Flächen), keine ertrinkenden Flüchtlinge mehr, keine politische Unterdrückung von humanistischem Gedankengut mehr. Einfach eine menschenfreundliche Welt: Wieso fühlt sich das wie eine Utopie an?

Zumindest wird es nicht besser, wenn aufgeklärte Journalistinnen und Journalisten sich ständig in dieses "Wir gegen die" einreihen.

Martin Stecher, Dachau

Aufklärung hilft

Mit großem Interesse und Genugtuung habe ich den Artikel von Dunja Ramadan gelesen. Wie bereichernd, informativ und auch dem rechten Maß an Aufforderung, sich einfach einmal sachlich mit dem Islam und den gläubigen Muslimen auseinanderzusetzen.

Das fehlt so oft im Mainstream und bei der Intoleranz der meisten Medien in Deutschland. Meist werden die 1,9 Milliarden Muslime weltweit und 5,5 Millionen in Deutschland einfach unter den Teppich gekehrt, als gäbe es sie nicht. Aufklären hilft dagegen, und Ihr Artikel hierzu ist besonders gut gelungen.

Bernhard Dodell, Holzkirchen

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