Leserbrief:Referendariat - eine Vorbereitung?

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Die Teilzeitquote ist bei Lehrerinnen und Lehrern deutlich höher als bei anderen Berufsgruppen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Kritik an der Schul-Personalpolitik des bayerischen Kultusministeriums: Der Weitblick fehlt, dafür gibt es inkonsequenten Aktionismus.

"Wenn der Nachwuchs im Studium abhanden kommt" vom 24. Juli:

Zur Erinnerung: Als 2008 andere Bundesländer bereits Lehrkräfte mit erstem und zweitem Staatsexamen aus anderen Bundesländern suchten und verbeamteten (Rheinland-Pfalz und Hessen), wurden in Bayern Bewerber einzelner Fächer mit der Note "Zwei" nicht übernommen. Viele wurden nach sechs bis acht Jahren Ausbildung arbeitslos oder mussten sich mit 11-Stunden-Zeitverträgen (die großen Ferien wurden nicht bezahlt!) so lange ausbeuten lassen, bis vielleicht irgendwann eine Festanstellung sichtbar war.

So wurde die Tatsache verschleiert, dass damals schon Lehrermangel herrschte. Kein Blick in die Zukunft, obwohl - und das ist ein unglaubliches kulturpolitisches Versagen der bayerischen Staatsregierung - die zukünftigen Schülerzahlen an demografischen Daten errechenbar gewesen wären. Soviel zur Entstehung der Misere.

Jetzt die Lehrer-Ausbildung attraktiver zu machen mit Projekten wie "Lehrwerkstatt", um Lehrermangel zu beheben, ist begrüßenswert und sinnvoll, entsteht aber aus der Not.

Absolut zutreffend spricht ihr Artikel den Kern des Problems, den Vorbereitungsdienst, auch Referendariat genannt, an. 2019 haben demnach mehr als zehn Prozent der Referendare den immensen psychologischen Druck nicht ertragen und die Segel gestrichen, denn die Note des ersten und des zweiten Staatsexamens entscheiden über Anstellung oder Arbeitslosigkeit.

Die Entstehung der Noten an der Universität ist hier nicht das Thema, die Benotung des Zweiten Staatsexamens muss hier genauer betrachtet werden.

Diese Beurteilungen werden von den Seminarlehrern und dem Seminarleiter nach absolut individuellen, auf keiner wissenschaftlich begründeten und einsehbaren Basis vergeben. Denn es gilt die "Meisterlehre", was bedeutet, dass der Unterricht so gestaltet sein soll, wie der Seminarlehrer sich das vorstellt, und der Kandidat oder die Kandidatin sich entsprechend verhalten muss.

Dabei geht es aber nicht nur um pädagogisch-didaktische Parameter, sondern implizit durchaus auch um weltanschauliche, bis ins Persönliche reichende, zum Beispiel im Fach Geschichte. Der Beurteilungswillkür ist damit Tür und Tor geöffnet. Der Kandidat, der immerhin ein Lehramtsstudium mit Praktika an Schulen und didaktischen und pädagogischen Vorlesungen oder Seminaren absolviert hat und wissenschaftlich gegebenenfalls auf dem neuesten Stand ist, wird behandelt wie ein Lehrling. Alternative: "friss oder arbeitslos".

Diese Konstellation erzeugt nicht nur bei den Auszubildenden, sondern auch bei den selbstkritischen Ausbildern Unsicherheit und Frustration.

Dass diese Willkür es jetzt ermöglicht, mehr Referendare und sogar sogenannte Quereinsteiger zuzulassen, zeugt von der Konzeptlosigkeit der bayerischen Bildungspolitik. Nichts hat sich in 30 Jahren geändert!

Mein Text nährt sich aus meiner eigenen Vita - Erstes und Zweites Staatsexamen Ende der Siebziger Jahre - sowie aus meiner Tätigkeit als langjähriger Ausbildungsleiter von Lehrern für Deutsch als Fremdsprache und dem Referendariat von Familienangehörigen Ende der Nuller-Jahre.

Georg Dietrich, Rimsting

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