Lach- und Schießgesellschaft München:Zeitenwende im Kabarett

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Gibt es noch eine Rettung für die Münchner Lach- und Schießgesellschaft? (Foto: Imago)

Die Münchner Institution ist vielleicht auch ihr eigenes Opfer geworden, weil sie einen Wandel verschlafen hat.

"Schluss mit lustig in der Lach-und Schießgesellschaft" vom 14. Februar:

Auf dem Weg zum Kabarett in Schwabings Ursulastraße wusste ich stets, das ich um Entschuldigung bitten muss. Ich bin etwas über 1,90 Meter groß und es gibt in ganz München keine schlechtere Location, um Platz zu nehmen. Da wird der Zweier-Tisch für fünf genutzt, auf jeden Durchgang verzichtet und Stühle bis zur Eingangstür aufgestellt. Verwinkelt und mit schlechter Luft wird dann das Event erwartet. Ich kenne keinen unter 40 Jahre, die sich an seinem freien Abend gegen ein Eintrittsgeld eine solche Räumlichkeit zumuten würde. Ja, hier residierte über Jahrzehnte die Speerspitze des deutschen Politkabaretts.

Messerscharf wurden die zweieinhalb Parteien aus Union, SPD und ein wenig FDP seziert. Als "Scheibenwischer" in dem Bundesland konzipiert, in dem es ab und an nicht mal ausgestrahlt wurde. Es war der Fingerzeig in die Wunde eines Politikbetriebes mit intransparenter Parteifinanzierung, Männerklüngel und mächtigen Großkonzernen. Wie ein Museum weisen Karikaturen von Dieter Hanitzsch und Schwarzweiß-Fotos an den Wänden darauf hin. Das wirkt museal, wie auch die bedeutendste Person der Lach- und Schieß am Ende der Schaffenskraft museal wirkte.

Die bösartigste Kritik über Dieter Hildebrandt äußerte Harald Schmidt. Er sei traurig, wenn er ihn in den alten Tagen sehe und die Hoffnung äußerte, selbst nicht den Zeitpunkt des Aufhörens zu verpassen. Holprig und missgünstig wurde auf die Nachfolge des eigenen Erbes Einfluss genommen, kein Jonas und kein Richling konnten es ihm recht machen, so dass der "Scheibenwischer" schließlich aus dem Sendeprogramm verschwand. Auch das Münchner Politkabarett hatte seinen Wandel im Anschluss daran verpasst.

In Zeiten internationaler Einflussnahmen auf deutsche Firmen, bedrohter Lokalpolitiker, unübersichtlicher Parteienlandschaft, unklaren finanziellen Zuwendungen aus neutralen Nachbarländern für die radikalen Ränder und pöbelnden Internetmobs wirkt die kabarettistische Politikerdresche plötzlich kleingeistig, ja sogar im höchsten Maße unsolidarisch und spießbürgerlich. Das haben viele Kabarettisten und auch Kabarettbühnen erkannt und ihr Format und Programm angepasst - die Protagonisten in der Ursulastraße lange Zeit nicht.

Auf Rückfrage der Süddeutschen hat der Gesellschafter Bruno Jonas zugegeben, das er die aktuellen finanziellen Umstände der Lach- und Schieß nicht genauer kennt, und verhält sich damit wie ein Aufsichtsratsvorsitzender, der nicht weiß, was der von ihm eingesetzte Vorstand gerade macht. Das ist Stoff für Satire in den Satireräumen.

Nein, es tut mir Leid, aber die Zeit ist jetzt gekommen. Ich wünsche dem letzten Ensemble, dass es gut woanders unterkommt. Bei meinem letzten Besuch in der Lach- und Schieß musste ich tatsächlich eine Kritik über die Deutsche Bahn ertragen. Ein Scherz über lange Lulatsche in zu engen Räumlichkeiten wäre mir lieber gewesen.

Dirk Hartmann, München

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