Integration:Wie Migranten eine Perspektive bekommen

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Gute Chancen auf dem deutschen Jobmarkt: Immer mehr Geflüchtete arbeiten in festen Arbeitsverhältnissen. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Unternehmen, die geflüchtete Menschen ausbilden oder einstellen möchten, erhalten viele nützliche Informationen und staatliche Zuschüsse. Die Programme im Überblick.

Von Stefan Weber

Geflüchtete kommen auf dem deutschen Arbeitsmarkt zunehmend besser an. Sie helfen Unternehmen, freie Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu besetzen und werden von vielen Mitarbeitenden als Bereicherung ihres Teams wahrgenommen. Nach einer Studie des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) beschäftigten im vergangenen Jahr bereits etwa 430 000 deutsche Unternehmen Geflüchtete.

Die Firmen bieten dabei immer häufiger feste, reguläre Arbeitsverhältnisse an, seltener dagegen Praktikumsplätze wie noch zu Beginn der Integrationsbemühungen. Jede zehnte Firma, so die Untersuchung, bildet inzwischen auch Geflüchtete im Rahmen einer dualen Ausbildung aus. Doch welche rechtlichen Hürden sind bei der Beschäftigung von Geflüchteten zu nehmen? Welche Fördermöglichkeiten gibt es und wer kann mit praktischen Tipps helfen?

In den vergangenen Jahren hat sich eine Reihe von Initiativen und Bündnissen gebildet, die Unternehmen mit praxisnahen Informationen helfen. Zudem gibt es eine Reihe von staatlichen Fördermöglichkeiten für Unternehmen, die geflüchtete Menschen beschäftigen oder einstellen möchten. Was Firmen wissen sollten:

Die Willkommenslotsen fragen

Seit dem Frühjahr 2016 unterstützen sogenannte Willkommenslotsen kleine und mittlere Unternehmen bei der Besetzung von Ausbildungs- und Arbeitsstellen mit Geflüchteten. Im vergangenen Jahr waren bundesweit rund 100 Willkommenslotsen im Einsatz. Sie sind an mehr als 80 Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, Kammern der freien Berufe sowie weiteren Organisationen der Wirtschaft angesiedelt und damit regional gut erreichbar. 2020 gelang es ihnen, etwa 1130 Ausbildungsplätze mit Geflüchteten zu besetzen.

Netzwerke nutzen

Das Netzwerk "Unternehmen integrieren Flüchtlinge" - im März 2016 vom Bundeswirtschaftsministerium sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag gegründet - ist der bundesweit größte Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Beschäftigung von Geflüchteten engagieren. Viele der etwa 2500 Mitgliedsfirmen sind kleine und mittelgroße Unternehmen. Das Netzwerk arbeitet sowohl auf Bundes- als auch auf regionaler Ebene mit verschiedenen Akteuren sowie Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern zusammen.

Fachkräfte sichern

Das KOFA, Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, stellt interessierten Unternehmen ein umfangreiches Dossier mit Wegweisern, Handlungsempfehlungen, Videos und Praxisbeispielen zur Integration von Geflüchteten zur Verfügung.

Potenziale prüfen

Oft ist es für Unternehmen, die einen Geflüchteten ausbilden möchten, schwer abzuschätzen, welche Potenziale ein Bewerber mitbringt und welchen Unterstützungsbedarf er hat. Das lässt sich im Rahmen einer sechs bis zwölf Monate dauernden Einstiegsqualifizierung (EQ) herausfinden. Sie ist somit eine Art Brücke zur eigentlichen Ausbildung und umfasst auch den Berufsschulbesuch. Dafür muss das Unternehmen vor Beginn der EQ einen Antrag bei der Agentur für Arbeit stellen. Sie erstattet die Mindestvergütung von 243 Euro pro Monat sowie einen pauschalisierten Sozialversicherungsbeitrag. Die Möglichkeit, an einer EQ teilzunehmen, haben Geflüchtete mit anerkanntem Schutzstatus. Auch Asylbewerber und Geduldete können mitmachen, sofern sie eine Beschäftigungserlaubnis besitzen. Die EQ kann um weitere Förderinstrumente ergänzt werden und heißt dann EQ Plus.

Hilfen für die Ausbildung anfordern

Wenn Auszubildende Unterstützung bei Ausbildungsinhalten benötigen oder wenn vermehrt sozialpädagogische Fragen auftreten, können ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) zum Gelingen der Ausbildung beitragen. Sie sind vielfältig und reichen von Nachhilfeangeboten über die Unterstützung bei der Prüfungsvorbereitung und Coachings bis zur Vermittlung bei Differenzen zwischen Betrieb und Auszubildenden. Der zeitliche Aufwand beträgt zwischen drei und acht Schulstunden pro Woche außerhalb der Arbeitszeit. Die Maßnahmen werden vollständig von der Agentur für Arbeit beziehungsweise dem Jobcenter finanziert.

Bei entsprechenden Voraussetzungen kann es somit sinnvoll sein, im Vorfeld der Ausbildung eine einjährige EQ zu absolvieren und während dieser Zeit ausbildungsbegleitende Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Externe Bildungsträger hinzuziehen

Förderungsbedürftige junge Menschen, für die eine Unterstützung mit abH nicht intensiv genug ist, können mit der Maßnahme "Assistierte Ausbildung" (AsA) auf eine betriebliche Berufsausbildung vorbereitet werden. Dies kann zum Beispiel dann infrage kommen, wenn ein Betrieb nicht über ausreichende Personalkapazitäten verfügt, um eine intensivere Betreuung zu gewährleisten. Dann leistet ein externer Bildungsträger Unterstützung. Die Auszubildenden erhalten außerhalb der Arbeitszeit zwischen vier und neun Schulstunden in der Woche Unterstützung.

Kandidaten im Alltag testen

Mitunter können Betriebe anhand der vorliegenden Nachweise nicht sicher beurteilen, ob sich ein Bewerber für eine ausgeschriebene Stelle eignet. In diesem Fall können sie im Rahmen der "Maßnahmen bei einem Arbeitgeber zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung" (MAG) direkt am Arbeitsplatz prüfen, welche Kenntnisse und Fertigkeiten ein Kandidat mitbringt. Der Geflüchtete wird zur Probe in den Betriebsalltag eingebunden und kann sich praktisch beweisen. Dieses "Betriebspraktikum" (oder "Probearbeit") ist auf sechs bis zwölf Wochen begrenzt. Voraussetzung für das Programm ist, dass es unentgeltlich durchgeführt wird. Das Arbeitslosengeld wird über die gesamte Zeit weitergezahlt.

Zuschüsse beantragen

Betriebe, die davon ausgehen, dass ihr neuer Mitarbeiter eine intensivere Einarbeitungszeit benötigt als üblich, können einen Eingliederungszuschuss (EGZ) erhalten. Höhe und Dauer des EGZ sind abhängig vom Einzelfall. Die Arbeitsagentur kommt für bis zu 50 Prozent des gezahlten Arbeitsentgelts auf. Für Geflüchtete mit Aufenthaltserlaubnis können Arbeitgeber sofort einen EGZ erhalten, für Geduldete und Asylbewerber erst nach drei Monaten. Ein entsprechender Antrag muss vor der Beschäftigungsaufnahme bei der Agentur für Arbeit beziehungsweise beim Jobcenter gestellt werden.

Berufssprachkurse buchen

Berufssprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vermitteln Auszubildenden und Beschäftigten mit Migrationshintergrund Sprachkenntnisse, die sie für ihren beruflichen Alltag benötigen. Sie können auch berufsbegleitend und in Teilzeit besucht werden. Basiskurse enden mit einer Zertifikatsprüfung und haben eine Laufzeit von bis zu einem Jahr (je 400 bis 500 Unterrichtsstunden). Für Auszubildende ist die Teilnahme kostenfrei. Für Beschäftigte gilt das nur, wenn ihr letztes zu versteuerndes Jahreseinkommen weniger als 20 000 Euro beträgt.

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