Studie:Führungskräfte wollen Kontrolle nicht abgeben

Michael Werder findet bei seinem neuen Arbeitgeber ein Umfeld, das er für zukunftsfähiger hält. Auch bei diesem Unternehmen, ebenfalls ein DAX-Konzern, gibt es Hierarchien. Aber sie funktionieren anders, jedenfalls in Werders Bereich. Es wird mehr in gemeinsamen Projektgruppen gearbeitet statt in klassisch getrennten Abteilungen für Entwicklung, Finanzen und Vertrieb. In der Projektgruppe gibt es dann einen, der besonders genau zuhört, Diskussionen in eine Richtung lenkt und Entscheidungen vorbereitet - die teils gemeinsam getroffen werden, teils von ihm und seinen Chefs alleine.

Viele Unternehmen tun sich mit solchen Veränderungen schwer. "Viele Führungskräfte geben nicht gerne die Kontrolle ab, weil es ihrem Selbstverständnis als Macher zu widersprechen scheint", sagt Professor Hertel. Bemerkenswerterweise stufen Führungskräfte in der Stepstone-Umfrage ihr Unternehmen häufiger als innovativ ein als dies die Fachkräfte tun. Ist doch alles super bei uns, denken sie offenbar.

Die Wertschätzung der Hierarchie durch die Hierarchen ist aber nicht die einzige Ursache für den Traditionalismus in deutschen Unternehmen. Hertel warnt vor einer Glorifizierung des Hierarchieabbaus. "Die Strukturen zu ändern, ist keine Sache von Tagen. Das dauert je nach Größe des Unternehmens Jahre und ist mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden, etwa für Konfliktprävention und Schulung der Mitarbeiter". Ein beträchtlicher Aufwand, so oder so. "Im Alltag ist viel Abstimmung nötig, wenn mehr Mitarbeiter mitreden. Das ist im schnelllebigen Geschäft nicht einfach zu schaffen."

Beschäftigte wünschen sich mehr Eigenverantwortung

Hertel zitiert zwei Meta-Studien, die den Forschungsstand zusammenfassen. Danach steigt die Leistung des Teams bei Modellen mit geteilter Führung. Ein klarer Vorteil also. Allerdings wird der Effekt kleiner, wenn die Aufgabe eines Teams komplex ist. Auch schrumpft der positive Effekt über die Zeit. Hertel: "Es ist viel Koordination nötig. Wer macht welche Arbeit? Wer bekommt die Anerkennung dafür?"

Michael Werder erzählt, sein Marketingjob sei anstrengender geworden, seit er in flachen Hierarchien arbeitet. Mitreden bedeute Mitverantwortung für die Ergebnisse. Diesen Preis zahlt er allerdings gerne. Er ist mit seinem Job zufriedener als früher. Das lässt sich keineswegs von der überwiegenden Mehrheit der Arbeitnehmer sagen.

Fast die Hälfte der Befragten in der Stepstone-Studie sind mit ihrer Tätigkeit unzufrieden. Und ihnen fällt auch einiges ein, wie sich das ändern ließe. 80 Prozent möchten möglichst selbstbestimmt in eigenverantwortlichen Teams arbeiten. Bisher hat jeder fünfte ein ziemlich bohrendes Gefühl. Nämlich, dass seine Ideen in der Firma ausdrücklich nicht erwünscht sind.

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