Steile Karriere:Aushilfslehrer wird Vize-Premier von Somalia

Lesezeit: 1 min

Zwei Jahre lang gab er Kindern in Großbritannien Nachhilfeunterricht. Dann machte Mohamed Ibrahim aus Somalia unerwartet einen Karrieresprung. Denn die Übergangsregierung seines Landes unterbreitete ihm ein verlockendes Angebot - sehr zur Überraschung seines früheren Arbeitgebers.

Alexander Menden

Der Durchlauf an Aushilfslehrern an britischen Schulen ist hoch. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein "support teacher" kurzfristig seinen Job kündigt, weil er woanders etwas Reizvolleres gefunden hat. Und so erschien die E-Mail, die Richard Kolkar, Direktor des katholischen Newman College in London, vor wenigen Tagen erhielt, zunächst nicht bemerkenswert.

Mohamed Ibrahim aus Somalia kehrte dem Lehrer-Dasein in London den Rücken, um Vize-Premierminister in seinem Heimatland zu werden. (Foto: AFP)

In dem Schreiben informierte ihn sein bisheriges Kollegiumsmitglied Mohamed Ibrahim, er werde dem College künftig leider nicht mehr zur Verfügung stehen, weil er "während der Sommerferien unerwartet in sein Heimatland zurückgerufen" worden sei. Doch nach einer Internet-Recherche fand Kolka den genauen Grund für die Kündigung des Kollegen heraus: Ibrahim war kürzlich zum stellvertretenden Premierminister von Somalia ernannt worden.

Zwei Jahre lang war der 64-Jährige an der Schule im Londoner Stadtteil Brent, um somalischen Kindern Englisch-Nachhilfeunterricht zu geben. Doch diesen Sommer kontaktierte die somalische Übergangsregierung des Präsidenten Scheich Sharif Sheikh Ahmed ihn mit der Bitte, seinem Heimatland künftig als Vizepremier zu dienen. Die vom Westen anerkannte Regierung soll im von Warlords und der radikal-islamistischen Shabaab-Miliz beherrschten Somalia ein Art Ordnung herstellen.

Mohamed Ibrahim ist einer von mehreren im Westen ausgebildeten Somalier, die künftig im Kabinett des Premiers Abdiweli Mohamed Ali arbeiten. "Ich werde das Newman Catholic College stets in meinem Herzen tragen", schrieb Ibrahim in seiner Abschiedsmail. Nichts habe auf sein politisches Engagement hingedeutet, wird Direktor Kolka im Independent zitiert: "Er war immer ein sehr bescheidener Mann, obwohl ich den Eindruck gewann, dass er von den Jungs und den somalischen Eltern sehr respektiert wurde. Aber das habe ich wirklich nicht kommen sehen."

Zumindest wird Mohamed Ibrahim in Kürze Gelegenheit haben, sich persönlich von der Schule in Brent zu verabschieden. Nach einer für Ende September geplanten Rede vor der UN-Vollversammlung - Ibrahim ist auch somalischer Außenminister - will er auf dem Heimweg in London Station machen und dem Newman College einen Besuch abstatten.

© SZ vom 16.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: