Merkel und die Quote:Die Frauencommunity braucht Männer

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Hundert-Prozent-Quote: Angela Merkel empfing weibliche Führungskräfte im Kanzleramt. (Foto: DAVID GANNON/AFP)

Was steht Frauen im Job wirklich im Weg? Das wollte sich Angela Merkel von weiblichen Führungskräften bei einem Treffen im Kanzleramt erklären lassen. Die wichtigste Erkenntnis der Kanzlerin: Beim nächsten Treffen müssen Männer dabei sein.

Von Melanie Staudinger

Selbst Kanzlerinnen verzetteln sich hin und wieder. Angela Merkel ist das vor ein paar Tagen bei einer Gesprächsrunde passiert. Sie sollte erklären, ob eine Mutter als Regierungschefin denkbar wäre. Merkel redete los, erzählte etwas davon, dass sowohl eine Kanzlerin als auch eine Mama sekündlich verfügbar sein müssten. Und als sie dann gerade bei dieser doppelten Verfügbarkeit angekommen war, die sich doch irgendwie ausschließt, fiel ihr plötzlich ein: "Mensch, Kohl hatte doch auch Kinder." Nur habe ihm keiner diese Frage gestellt.

Merkel musste sich eingestehen, dass auch sie manchmal gefangen sei in den alten Rollenvorstellungen, die sie doch eigentlich bekämpfen will.

Am Dienstag im Kanzleramt jedenfalls punktet Merkel mit dieser Anekdote. Vor ihr und um sie herum sitzen mehr als hundert Frauen, Chefinnen ebenso wie engagierte Nachwuchstalente, denen die Karriere noch bevorsteht. Viele können von ähnlichen Episoden berichten, sie kennen das Gefühl nur zu gut, dass Frauen im Job benachteiligt sind.

Opposition geißelt Merkels Treffen als Wahlkampfmanöver

Von ihnen, den Praktikerinnen sozusagen, will die Kanzlerin nun wissen, welche Erfahrungen sie auf dem Weg zum beruflichen Erfolg gemacht haben und was sich ändern muss, damit mehr Frauen Spitzenjobs bekommen. Sie erhoffe sich eine "realitätsnahe Darstellung der Dinge", sagt Merkel.

Die Opposition wird das Treffen später als Wahlkampfmanöver geißeln. Ein freundlicher Händedruck der Kanzlerin bringe die Frauen nicht weiter, schimpft die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Gegen die "verfestigten Männerstrukturen" auf Führungsebenen helfe nur eine gesetzliche Frauenquote.

Merkel lässt aber von Anfang an keinen Zweifel daran, dass sich an der Entscheidung der Union nichts ändern wird: Sie peilt eine 30-Prozent-Quote in Aufsichtsräten für das Jahr 2020 an. Die Kanzlerin erwähnt die Kontroversen nicht und verweist auf das Konzept der flexiblen Quote, auf die sich Unternehmen selbst verpflichten sollen. Das darf Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gegen Ende der Konferenz in aller Ausführlichkeit erläutern.

Unterschiedliche Ansichten über einen festen Frauen-Anteil gibt es zwar auch bei den Teilnehmerinnen. Doch die Quote oder deren Nichtexistenz ist anscheinend nicht ihr größtes Problem. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe, stört sich eher an den gesellschaftlichen Vorbehalten, die Frauen entgegengebracht werden. In keinem anderen Vorstellungsgespräch sei Technikwissen so hinterfragt worden wie in ihrem, erzählt sie.

Andere berichten von Neid und Missgunst anderer Frauen, die versuchen, sie in die Rolle der Rabenmutter zu drängen. Oder von verständnislosen Finanzbeamten, die nach der Hochzeit keine Lohnsteuerkarten mehr verschicken, weil sie glauben, dass die Frau nun nicht mehr arbeiten muss.

"Die Politik sollte alles sein lassen, was traditionelle Rollenvorstellungen festigt", sagt Ines Kolmsee, Vorstandsvorsitzende der SKW Stahl-Metallurgie Holding AG und Mutter von vier Kindern. Das gelte für das Ehegattensplitting bei der Einkommensteuer ebenso wie für das Betreuungsgeld, das diejenigen erhalten, die ihre Kleinkinder daheim versorgen. Mehr Unterstützung erwarten sich die Führungskräfte hingegen bei der Kinderbetreuung. Ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, selbst bei flexiblen Öffnungszeiten, ist vielen zu wenig.

Sie ist nicht angetreten, um die Welt zu verändern

Die Chefin der Agentur für Arbeit in Nordrhein-Westfalen, Christiane Schönefeld, fordert, dass Kinder- und Haushaltshilfen steuerlich besser absetzbar werden. Das ist offenbar kein Thema, bei dem Merkel sich großartig verzettelt. Schritt für Schritt könne die Absetzbarkeit aus ihrer Sicht schon erweitert werden. Zugleich erklärt sie aber, dass es keine großen finanziellen Spielräume gebe.

Kanzlerin Merkel ist an diesem Vormittag nicht angetreten, um die Welt komplett zu verändern. In kleinen Schritten soll das geschehen, begleitet von der Politik. Die Unternehmen müssten Frauen stärker fördern, die sich wiederum besser untereinander vernetzen: "Ich habe noch kein Männer-Netzwerk gesehen, das sagt, wir müssen uns dringend auch für Frauen öffnen."

Die Männer sollen aber auch einbezogen werden. Nur gemeinsam mit ihnen ließen sich tradierte Rollenbilder durchbrechen. Im kommenden Jahr will die Kanzlerin das Treffen fortsetzen - dann auch mit männlicher Beteiligung. Jetzt allerdings wird Merkel vorsichtig. "Wir müssen aufpassen, dass die sich nicht von der Frauencommunity zum Verhör geladen fühlen", sagt sie.

© SZ vom 08.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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