Merkel drückt Stipendienprogramm durch:Eliterepublik Deutschland

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Kanzlerin Merkel hat das nationale Elite-Stipendienprogramm im Bundesrat durchgeboxt. Dafür zahlen muss der Bund. Die geplante Bafög-Erhöhung droht dagegen zu scheitern.

Das Stipendienprogramm kommt - dafür hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich eingesetzt und scheut vor Kosten nicht zurück. Im Streit mit den Ländern um das Stipendiengesetz lenkte sie ein Mit Erfolg: Der Bundesrat hat der Einführung des nationalen Stipendienprogramms zugestimmt. Die Länder votierten mehrheitlich für das entsprechende Gesetz, nachdem Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) eine finanzielle Entlastung der Länder angekündigt hatte. Laut Schavan wird der Bund den staatlichen Anteil für das Programm komplett übernehmen.

Einigung im Streit um Stipendienprogramm: Der Bund übernimmt die Kosten. (Foto: ddp)

Auf der Kippe steht hingegen noch immer die vom Bundestag bereits beschlossene Bafög-Erhöhung. Die Länder haben im Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen. Sie wollen erreichen, dass der Bund auch hier die erwarteten Mehrkosten voll übernimmt. Nach dem jetzigen Entwurf soll der Bafög-Satz für Studenten und auswärts untergebrachte Schüler ab 1. Oktober um 2 Prozent steigen, die Elternfreibeträge um 3 Prozent. Bisher trägt der Bund 65 Prozent der Kosten, die Länder 35 Prozent.

Mit dem umstrittenen Stipendienprogramm will die schwarz-gelbe Koalition bis zu 160.000 der leistungsstärksten Studenten monatlich mit 300 Euro fördern - unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. 150 Euro davon sollen die Hochschulen vor Ort bei Sponsoren einwerben. Von den anderen 150 Euro sollten nach den bisherigen Planungen die Länder die Hälfte übernehmen.

Die SPD forderte im Bundesrat einen Verzicht auf das Stipendienprogramm. Das Geld solle besser für ein höheres Bafög eingesetzt werden. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sagte: "Das ist typisch für die soziale Schieflage der Bundesregierung: Für die Eliten wird Geld ausgegeben und für die die es nötig haben nicht."

Der FDP-Vize-Chef und noch amtierende nordrhein-westfälische Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart sprach dagegen von einem "Durchbruch bei der Studienfinanzierung". Endlich werde dem einkommensabhängigen Bafög eine zweite Säule der Förderung aufgebaut. Pinkwart gilt als Initiator des Stipendienprogrammes. Er hat in NRW bereits ein ähnliches Landesmodell eingeführt. Schavan sagte: "Förderung in der Breite und Förderung in der Spitze sind keine Alternativen, sondern zwei Seiten einer Medaille." International gebe es keine anerkannte Wissenschaftsnation, die nicht über eine Stipendienkultur verfüge.

Die Vorsitzende des Bundestags-Bildungsausschusses, Ulla Burchardt (SPD) sagte dagegen, der Bund zahle bei den Stipendien "für die Gesichtswahrung der Bundeskanzlerin einen hohen Preis". Das Programm werde nicht benötigt. Es gebe bereits Stipendien der Begabtenförderungswerke.

Nicht nur bei den Stipendien greift die Bundesregierung tief in die eigenen Kassen. Auch die vom Aus bedrohte Medizinerausbildung an der Universität Lübeck bleibt nur dank der Hilfe des Bundes erhalten. Berlin werde sich künftig mit zusätzlichen 25 Millionen Euro pro Jahr an der Finanzierung der Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein beteiligen, teilte die Landesregierung am Donnerstag mit. Das hätten Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, Wissenschaftsminister Jost de Jager (beide CDU) und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) vereinbart. Kubicki erklärte: "Der Medizinstudiengang in Lübeck bleibt erhalten."

Die CDU/FDP-Koalition in Kiel wollte im Zuge ihres Millionen-Sparprogramms die Mediziner-Ausbildung in Lübeck auslaufen lassen, um bis zu 26 Millionen Euro pro Jahr einzusparen. Dagegen hatte es massive Proteste gegeben, da dadurch ein Abstieg der Lübecker Universität in die Bedeutungslosigkeit befürchtet wurde. Ministerpräsident Carstensen betonte nach der Einigung mit Schavan: "Wir sind bei der Konsolidierung unseres Haushaltes und der Sicherung der exzellenten Forschung in Schleswig-Holstein heute einen entscheidenden Schritt vorangekommen." Die Medizinerausbildung müsse nicht geschlossen werden, auch die Zahl der Medizin-Studienplätze solle nicht sinken.

Die Proteste der Lübecker Bürger hatten Erfolg. Die Medizinerausbildung bleibt der Universität erhalten. (Foto: dpa)

Unter anderem über eine neue Trägerschaft für das Kieler Institut für Meereskunde entlastet der Bund Schleswig-Holstein um insgesamt rund 25 Millionen Euro jährlich. Derzeit wird das Leibniz-Institut zur Hälfte vom Land finanziert. Bei einer Überführung in ein Institut der Wissenschaftsorganisation Helmholtz-Gemeinschaft kann der Bund 90 Prozent der Finanzierung übernehmen, das Land zahlt nur noch zehn Prozent.

"Es ist kein Geheimnis, dass in diesem Zusammenhang Lübeck eine besondere Rolle gespielt hat", sagte Schavan. Sie wollte die Uni aber nicht direkt finanziell unterstützen. "Es wäre ein Offenbarungseid, wenn der Bund da, wo einem Land Geld fehlt, die Institution übernimmt, wo das Geld fehlt." Der Bund sei keine Sparkasse.

Universitätspräsident Peter Dominiak zeigte sich erleichtert. "Der Druck, den die Studenten aufgebaut haben, hat dazu geführt, dass verhandelt wurde". Nun will sich die Einrichtung zu einer Stiftungsuniversität wandeln, um so mehr Mittel von Dritten einzuwerben.

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