In ihrer Redaktion gilt Birte Meier als umgängliche Kollegin, die viel arbeitet, Preise einheimst und große Geschichten ranschafft. Erst unlängst wieder, da hat die Journalistin für das ZDF-Magazin Frontal 21 aufgedeckt, wie sich die SPD Gesprächstermine mit hochrangigen SPD-Politikern von Lobbygruppen bezahlen ließ. Die Affäre schlug unter dem Stichwort "Rent a Sozi" hohe Wellen. Sie sei eine Leistungsträgerin, heißt es aus ihrem beruflichen Umfeld in Berlin, "eine wertvolle Kollegin".
Deswegen sollte sie auch angemessen verdienen, findet die Journalistin, die seit neun Jahren für das Politmagazin arbeitet. Zumindest so viel wie ihre männlichen Kollegen. Das ist ihrer Ansicht aber nach nicht der Fall. In Gesprächen will die 45-Jährige herausgefunden haben, dass selbst jüngere wesentlich mehr Geld bekommen als sie. Sie versuchte erst, die Sache mit ihren Chefs zu regeln, dann bei einer Beschwerdestelle des Senders. Als sie nicht weiterkam, verklagte sie im April 2015 das ZDF.
Seit vergangener Woche sorgt das Verfahren vor dem Berliner Arbeitsgericht nun für Diskussionen. Weil es nicht nur ein Beispielfall dafür ist, dass Frauen oft noch immer schlechter bezahlt werden als Männer, selbst wenn sie die gleiche Arbeit machen und gleich gut qualifiziert sind. Sondern auch dafür, wie schwer es ist, sich juristisch gegen diese Lohnlücke zu wehren. Je nach zugrunde gelegter Erhebung beträgt sie zwischen 5,5 und acht Prozent.
Gleichberechtigung:Lohngerechtigkeit: "Frontal 21"-Journalistin verklagt das ZDF
Weil ein männlicher Kollege mehr verdient als sie, hat Birte Meier ihren Arbeitgeber verklagt. Ein Weg, den nur sehr wenige Frauen gehen.
70 000 Euro Entschädigung fordert Birte Meier vom ZDF. Die Summe sei deswegen so hoch, weil die europäischen Richtlinien zur Gleichbehandlung in solchen Fällen eine "abschreckende Wirkung" verlangen, so ihr Anwalt. Zudem müsse es eine Kompensation geben für den Druck, dem seine Mandantin ausgesetzt gewesen sei.
Wie erfolgreich die Journalistin mit ihrer Klage sein wird, ist fraglich. Denn am ersten Verhandlungstag in Berlin wurde vor allem klar: Es ist eine Sache, weniger Geld zu verdienen. Und eine vollkommen andere, nachzuweisen, dass dahinter eine systematische Ungleichbehandlung steckt. Gelungen ist dies etwa in einer Tochterfirma des Schuhherstellers Birkenstock. Dort bekamen Arbeiterinnen über Jahre gut einen Euro weniger Stundenlohn als ihre männlichen Kollegen, worüber sogar ganz offen bei einer Betriebsversammlung geredet wurde. Eine Mitarbeiterin klagte auf Entschädigung und bekam 2015 in zwei Instanzen recht.
Ein Sprecher des ZDF sagt der Süddeutschen Zeitung, das Geschlecht sei im Sender "kein Differenzierungskriterium". Feste und freie Mitarbeiter würden nach Tarifverträgen bezahlt, die der Sender mit den Gewerkschaften vereinbart habe. Gemessen würden "die ausgeübte Tätigkeit und die spezifische Berufserfahrung". Zum konkreten Fall will man aus Datenschutzgründen nichts sagen. Vor Gericht beantragte der Sender jedoch, die Klage von Birte Meier abzuweisen. Begründung: Die besser verdienenden männlichen Kollegen der Reporterin würden mehr Berufserfahrung oder eine längere Betriebszugehörigkeit mitbringen.
Anwalt sieht ZDF in der Pflicht
Der Anwalt der ZDF-Journalistin ist Hans-Georg Kluge, früher Richter am Oberverwaltungsgericht Brandenburg und später Kommunalpolitiker der CDU. Bereits 2008 hat er eine Frau aus der Medienbranche in einem Aufsehen erregenden Fall vertreten. Eine damals 47 Jahre alte Abteilungsleiterin der Gema, der Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte. Sie fühlte sich schlechter bezahlt und bei einer Beförderung übergangen, weil sie eine Frau ist. Vor Gericht sagte sie, dass zwei Drittel der Gema-Beschäftigten Frauen seien, sich in 27 Führungspositionen aber keine einzige finde, weswegen schon die mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Ungleichbehandlung spreche.
Sie bekam recht, allerdings wurde das Verfahren 2014 vom Bundesverfassungsgericht eingestellt. Wäre eine Entscheidung getroffen worden, hätte man es jetzt einfacher, sagt Kluge. So müssten immer noch einzelne Frauen den Mut haben, vor Gericht zu ziehen und damit ihre Karriere aufs Spiel zu setzen. Kluge sieht auch das ZDF in der Pflicht. Als öffentlich-rechtliche Anstalt habe es sich dazu verpflichtet, Benachteiligungen von Frauen durch "besondere Maßnahmen" zu beseitigen.
Und Birte Meier? Sie will sich nicht öffentlich äußern. Ihr Anwalt sagt, sie liebe ihren Job und setze alles daran, weiterhin gute Arbeit fürs ZDF zu machen. Aus Redaktionskreisen heißt es, "die absolut überwiegende Mehrheit" sei für sie. Es gehe inzwischen eine Unterschriftenliste im Sender herum, die der Kollegin den Rücken stärken soll. Ein Großteil der Unterzeichnenden sind Männer.