Gleichberechtigung:Lohngerechtigkeit: "Frontal 21"-Journalistin verklagt das ZDF

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Mehrere Jahre lang hatte die Klägerin sich um eine gütliche Einigung bemüht: Weil das nicht gelang, zog sie vor Gericht. (Foto: dpa)

Weil ein männlicher Kollege mehr verdient als sie, hat Birte Meier ihren Arbeitgeber verklagt. Ein Weg, den nur sehr wenige Frauen gehen.

Erst im vergangenen Jahr wurde Birte Meier zusammen mit ihrem Kollegen Christian Esser für ihre gute Arbeit beim ZDF-Magazin "Frontal 21" ausgezeichnet. Mit der Doku "Die große Samwer-Show", die das Geschäftsgebaren der Firma Rocket Internet beleuchtet, beeindruckte sie die Jury des deutschen Wirtschaftsfilmpreises so sehr, dass die Autoren dafür den 1. Preis in der Kategorie "Langfilm" erhielten.

Im November 2016 gelang Meier ein weiterer Coup: Sie und Esser deckten auf, dass die SPD sich Treffen mit Politikern von Unternehmen und Lobbygruppen teuer bezahlen lässt. Doch so gut Meiers Arbeit sein mag - finanziell angemessen wertgeschätzt wurde sie vom ZDF anscheinend jahrelang nicht. Zumindest nicht, wenn man der Klageschrift Glauben schenkt, die Meiers Anwalt Hans-Georg Kluge dem Berliner Arbeitsgericht auf 500 Seiten vorlegte.

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Per Zufall hatte Meier im Gespräch mit einem mittlerweile pensionierten Kollegen erfahren, dass sie deutlich schlechter bezahlt wird als ihr männlicher Kollege. Ihr Gesprächspartner verdiente netto mehr als sie brutto. Nachdem sie sich mehrere Jahre lang um eine gütliche Einigung mit ihrem Arbeitgeber bemüht hatte, entschied sich Meier schließlich für den Rechtsweg: Sie verklagte das ZDF.

Die europäische Gesetzgebung gilt bei der Lohngerechtigkeit als progressiver

In seiner umfangreichen Klageschrift stützt sich Meiers Anwalt neben dem Antidiskriminierungsgesetz vor allem auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Diese gilt als als deutlich progressiver als die deutsche: Fühlt ein Mitarbeiter sich ungerecht behandelt, sieht diese einen Job-to-Job-Vergleich vor. Dabei müssen die reinen Tätigkeiten verglichen werden, die zwei Mitarbeiter ausführen. Sind sie exakt dieselben, darf die Frau nicht weniger verdienen.

In Deutschland hat die Große Koalition sich im Oktober dieses Jahres auf Eckpunkte für ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit geeinigt. Dem Kompromiss zufolge sollen Frauen (und Männer) in Betrieben ab 200 Beschäftigten künftig das Recht haben, zu erfahren, wie viel ihre Kollegen verdienen. Eine Garantie für mehr Gerechtigkeit ist das nicht, aber zumindest eine verbesserte Ausgangslage für Verhandlungen.

Noch immer verdienen Frauen hierzulande durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. Selbst wenn man herausrechnet, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten, seltener in Führungspositionen aufsteigen oder eher in sozialen Berufen mit geringen Verdiensten tätig sind, bleibt dem Familienministerium zufolge noch eine Lücke von sieben Prozent. Trotz dieser Zahlen ziehen nur wenige Frauen vor Gericht - auch weil es schwer ist, zu belegen, dass ihre Tätigkeiten tatsächlich gleichwertig sind. Birte Meiers Klage gilt daher als wegweisend.

Der Richter argumentiert, vielleicht sei eine Schwangerschaft schuld

Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge zeigte sich der zuständige Richter von der elaborierten Argumentation des Anwalts wenig beeindruckt. Er verwies auf die "Vertragsfreiheit", die Unternehmen erlaubt, mit ihren Mitarbeitern individuelle Verträge zu schließen. Womöglich könnten Männer einfach besser verhandeln.

Für noch größeren Ärger unter den anwesenden Zuschauerinnen sorgte der Richter mit einer anderen flapsigen Bemerkung: Auch Schwangerschaften könnten ein Grund für die geringere Bezahlung sein. In der Praxis mag das der Fall sein, erlaubt ist es nicht. Eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts ist laut dem Antidiskriminierungsgesetz unzulässig. In Paragraph drei heißt es dort sogar explizit, dass eine "unmittelbare Benachteiligung" auch dann vorliege, wenn diese aufgrund einer Schwangerschaft geschieht.

Am Ende könnte Meier doch noch mehr Geld bekommen, allerdings nicht so wie sie sich das ursprünglich vorgestellt haben dürfte: Der Anwalt des ZDF strebt einen Vergleich an. Im Gegenzug soll sie die Redaktion verlassen.

Lehnt Meier den Vergleich ab, wird der Richter am 1. Februar sein Urteil fällen.

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