Krisenmanagement des Bundespräsidenten:"Wulff hat keine strategische Intelligenz"

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Mit scheinbarer Offenheit versucht Bundespräsident Christian Wulff, der Kreditaffäre Herr zu werden. Doch immer neue Enthüllungen trüben das Image des Niedersachsen. PR-Experten sagen, warum Wulffs Spiel auf Zeit ein Fehler ist - und wieso dieser offenbar trotzdem darauf setzt.

Barbara Galaktionow

Ein umstrittener Privatkredit von Unternehmergattin Edith Geerkens - oder vielleicht doch von Egon Geerkens selbst -, Urlaube in den Feriendomizilen befreundeter Firmeninhaber und nun auch noch die Vermarktungshilfe des umstrittenen AWD-Gründers Carsten Maschmeyer für ein Interview-Buch: Fast täglich werden neue Details über die Verstrickungen Christian Wulffs mit dem Hannoveraner Gemisch aus Politik, Wirtschaft und Prominenz bekannt.

Bundespräsident Christian Wulff reitet sich immer weiter in die Krise - durch seinen amateurhaften Umgang mit der Kreditaffäre. (Foto: dapd)

Trotzdem scheint der Bundespräsident derzeit noch fest im Sattel zu sitzen. Politiker aus CDU und FDP geben Wulff Rückendeckung und vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel bescheinigt ihm, "vollstes Vertrauen" in ihn zu haben. Auch eine Mehrheit der Deutschen sieht in seinen Handlungen offenbar keinen Grund zum Rücktritt: Dem ARD-Deutschlandtrend Extra zufolge sprechen sich 70 Prozent der Bundesbürger dafür aus, dass Wulff weiter im Amt bleibt.

Der Grund dafür könnte - jenseits parteipolitischer Interessen - auch darin liegen, dass die sich ausweitende Kreditaffäre Wulffs bislang vor allem als ein Fall von missratenem Krisenmanagement wahrgenommen wird. "Die Krise besteht nicht im Anlass der Krise, sondern in der Behandlung der Krise", bringt Kommunikationsexperte Klaus Kocks eine in den Medien vielfach geäußerte Sichtweise auf den Punkt.

"Die Sache ist an sich nicht so dramatisch. Sie wird dazu gemacht, weil es sich um den Bundespräsidenten handelt - und der muss eine spezielle Moral bedienen", sagt der Düsseldorfer Krisen-PR-Berater Frank Wilmes.

Ein wenig anders gewichtet Polit-PR-Profi und Politblogger Michael Spreng die Angelegenheit, doch auch er sieht in der Handhabung der Affäre ein erhebliches Problem: "Es ist eine handfeste Affäre, die zu Recht weiter untersucht wird. Doch durch schlechtes Krisenmanagement ist sie nicht abgemildert, sondern verschärft worden."

Affäre mit ansteigender Entwicklung

Im Zentrum der Kritik steht vor allem Wulffs Salamitaktik, bei der er immer nur so viele Fehler eingesteht, wie ihm gerade bereits nachgewiesen werden können - ein bei Politaffären ja durchaus übliches Verfahren, das nach Expertenansicht allerdings von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. "Es kommt immer alles heraus", sagt Wilmes. Daher sei es empfehlenswert, beim Aufkommen einer Krise gleich alles einzugestehen. Das sei "in dem Moment sehr, sehr unangenehm, aber reinigend".

Taktieren könne vielleicht in Strafprozessen empfehlenswert sein oder wenn die Steuerfahndung einem im Nacken sitze, sagt Kocks, aber niemals bei moralischen und politischen Fragen, also Fällen, in denen es um die persönliche Integrität ginge. Die Salamitaktik sei "der Ausweis des uneinsichtigen Sünders", der nur auf Vorhalt so viel zugebe, wie er zugeben müsse. Und das sei nicht das geeignete Mittel für Wulff, um aus dieser Krise zu kommen. "Unsere Gesellschaft - weil sie eine christliche ist - erwartet den reuigen Sünder", so der Kommunikationsprofessor weiter. Diesem Bild werde der Niedersachse nicht gerecht.

Auch Politikberater Spreng rät vom Spielen auf Zeit ab - auch wenn es in Fällen wie der Katastrophe im havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima-1 durchaus von Erfolg gekrönt war, bei der viele sehr beunruhigende Informationen erst nach dem Höhepunkt der öffentlichen Erregung durchsickerten und dadurch kaum mehr Aufmerksamkeit erfuhren: "Eine Affäre um eine Person entwickelt sich ansteigend, sie ist nicht mit einer Katastrophenberichterstattung zu vergleichen", sagt Spreng.

Öffentliche Auftritte des Ehepaars Wulff
:An seiner Seite

Christian Wulff ist kein Mann vieler Worte: Zu den Vorwürfen gegen ihn sagte er stets nur das Nötigste - und auch sonst hätte sich mancher mehr politische Teilhabe des Bundespräsidenten gewünscht. Der erste Mann im Staat ließ lieber Bilder sprechen, vor malerischer Kulisse, Ehefrau Bettina im Arm.

präsidialen Fotoalbum.

Warum Wulff offenbar trotzdem darauf vertraut hat, dass sein Krisenmanagement auf diese Weise funktionieren könnte? "Menschliche Schwäche", konstatiert Spreng. Politiker hofften in Krisensituationen eben immer, sich noch aus der Affäre ziehen zu können. Deutlich härter fällt die Begründung von PR-Experte Kocks aus: "Wulff hat keine strategische Intelligenz."

Doch nicht nur die scheibchenweise Freigabe von Informationen stößt in der Öffentlichkeit auf Unverständnis. Darüber hinaus irritiert die Tatsache, dass der Bundespräsident sich bislang nicht persönlich zu den Vorwürfen geäußert hat, sondern stets nur über seine Anwälte.

"Es wird erwartet, dass jemand Manns genug ist, sich da hinzustellen und sich zu erklären", stellt Kock fest. Spreng hätte sich eine persönliche Erklärung Wulffs gewünscht, sieht das Einschalten der Anwälte insgesamt aber weniger kritisch: "Der Weg über die Anwälte ist eine Möglichkeit, die Affäre nicht mehr als notwendig mit dem Amt des Bundespräsidenten zu verknüpfen. Das finde ich akzeptabel."

Ganz gelingen kann dies Christian Wulff aber sicher nicht. So wird der weihnachtlichen Fernsehansprache des Bundespräsidenten in diesem Jahr mit Sicherheit mit deutlich mehr Spannung als normalerweise entgegengesehen. Kann der moralisch angeknackste Amtsträger hier die richtigen Worte finden, ohne dass er zu seiner Affäre Stellung nimmt? "Das wird eine Gratwanderung", sagt Spreng.

Doch erst einmal muss Wulff die Tage bis zum Fest als Bundespräsident überstehen. "Wulff und Merkel versuchen, die Ruhe der Feiertage zu erreichen, sich in das Weihnachtsfest zu flüchten", so Spreng. Krisen-PR-Mann Wilmes vermutet, dass das trotz des miserablen Krisenmanagements gelingt: "Wulff wird es überstehen, weil die Union keinen neuen Bundespräsidenten aufstellen kann." Kocks Prognose hinsichtlich der Zukunft des Bundespräsidenten Wulff ist weniger positiv: "Dead man walking", sagt er knapp.

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