Karriereplanung:"Mit 50 Jahren höre ich auf"

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Wer früh in Rente gehen will, sollte auch ohne Job kreativ sein - es muss ja nicht gleich eine Kunstaktion sein wie hier in Norderstedt. (Foto: Plainpicture / Kristine Thiemann)

Das schwören vor allem Menschen, die in ihrem Beruf viel Geld verdient haben. Sie wollen endlich das Leben genießen. Kann das gut gehen?

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Morgens um fünf klingelt der Wecker bei Achim Sauer schon längst nicht mehr. Trotzdem ist der 56-Jährige hellwach. "Da träume ich jahrzehntelang davon, endlich auszuschlafen und dann stehe ich trotzdem um halb sechs auf", sagt der ehemalige Finanzchef eines mittelständischen Pharmaunternehmens aus Hamburg. Seit zwei Jahren ist Sauer im Vorruhestand. Schon vor zehn Jahren entschied er, spätestens mit Mitte fünfzig in Rente zu gehen, er mochte nicht mehr jeden Abend bis 21 Uhr im Büro sitzen und träumte von monatelangen Segelreisen mit seiner Frau. Eine großzügige Erbschaft und komfortable Vorruhestandsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber machten es schließlich möglich.

Doch aus dem Traum vom immerwährenden Segelurlaub wurde nichts. Sauers Frau konnte sich nicht dazu durchringen, ihren Job als Grundschullehrerin zu kündigen. Und ganz alleine mochte Sauer dann doch nicht um die Welt segeln. "Inzwischen bin ich damit versöhnt", sagt er. "Den ganzen Tag zu Hause, das wäre nichts für meine Frau gewesen. Sie liebt ja ihre Schüler. Aber ich hatte mir das trotzdem anders vorgestellt."

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Rente mit fünfzig - davon träumen viele Menschen. Tatsächlich wird der Vorruhestand Jahr für Jahr beliebter: Statistiken der Deutschen Rentenversicherung belegen, dass Arbeitnehmer immer früher in den Ruhestand gehen, knapp die Hälfte aller Rentner bleibt nicht bis zum offiziellen Renteneintrittsdatum im Job. Doch die Rente mit fünfzig ist noch eine Seltenheit. Obwohl die Deutschen laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK im Schnitt mit 60,2 Jahren in den Ruhestand gehen möchten, können die meisten Frührentner erst drei Jahre vor dem regulären Rentenantritt aus dem Job aussteigen. Ansonsten wären die finanziellen Einbußen bei den Altersbezügen einfach zu groß.

Dank der Flexirente, einem gesetzlichen Modell für den flexiblen Renteneintritt, können Frühpensionäre die Rentenabschläge nun aber immerhin ab dem Alter von fünfzig Jahren durch freiwillige Sonderzahlungen von Beiträgen ausgleichen - vorausgesetzt, das Geld ist da.

Doch wie fühlt es sich an, in der Mitte des Lebens den Job an den Nagel zu hängen? Wer heute fünfzig ist, hat normalerweise noch ein knappes Drittel seines Arbeitslebens vor sich, manche starten in dieser Phase sogar beruflich noch neu durch. Heike Spilker steht gerade vor dieser Herausforderung und weiß noch nicht so recht, wo es hingehen soll mit ihr. Mehr als dreißig Jahre hat die Industriekauffrau für ein internationales Unternehmen im Südwesten Deutschlands gearbeitet. Richtig glücklich war sie in den letzten Jahren dort nicht mehr, im Rahmen der Globalisierung veränderte sich die Arbeit der 50-Jährigen inhaltlich stark. Dann musste das Unternehmen Stellen abbauen und unterbreitete ihr das verlockende Angebot einer betrieblichen Kündigung mit - etwas reduzierter - Lohnfortzahlung bis zum Renteneintritt. Heike Spilker nahm an.

Seit einem halben Jahr ist die zweifache Mutter nun zu Hause und hat finanziell mehr oder weniger ausgesorgt. "Trotzdem fühle ich mich nicht entspannt", sagt sie. "Ich dachte, ich kümmere mich endlich mal um den Garten und gehe vormittags ins Museum. Habe ich beides noch nicht getan. Ich weiß noch nicht, wie ich meine Tage füllen soll. Nur Mutter und Haushalt, darauf habe ich keine Lust."

Experten überrascht das nicht. Altersforscher wissen längst, dass die Frührente entgegen aller Erwartungen nur selten glücklich macht. Die deutsche Altersforscherin Ursula Staudinger von der Columbia University in New York hat jüngst in einer umfangreichen Vergleichsstudie mit Daten aus elf Industrieländern gezeigt, dass es ungesund ist, ohne eine Tätigkeit zu leben: Frührentner haben Staudinger zufolge sogar eine unterdurchschnittliche Lebenserwartung, selbst wenn man Vorerkrankungen herausrechnet. Denn die Verbindlichkeit und Sichtbarkeit durch die Berufstätigkeit sei, so Staudinger, sinnstiftend und außerdem mit regelmäßiger körperlicher und geistiger Aktivität verbunden. Diese Dinge außerhalb bezahlter Arbeit herzustellen, sei nicht so einfach. Staudinger plädiert deshalb für ein Altersteilzeitmodell, das einen langsamen und gleitenden Ausstieg aus dem Job ermöglicht.

Rücktritt vom Rücktritt

Heike Spilker hat sich schon entschieden, dass sie nicht auf Dauer zu Hause bleiben will. Eine Weile noch, dann möchte sie sich um eine Teilzeitstelle bemühen. "Ich bin ein Verwaltungsmensch, eine kleine Firma, in der ich mich nicht überarbeiten muss, das wär's", sagt sie. Das Gehalt käme dann einfach zur Lohnfortzahlung ihres Arbeitgebers hinzu, insgesamt sehr komfortabel.

Und auch Achim Sauer steigt wieder ein in den Job. Nach seiner zweijährigen Pause, die er insgesamt als "solala" bezeichnet, hat der Wirtschaftswissenschaftler ab dem kommenden Schuljahr eine Teilzeitanstellung als Quereinsteiger an einer Berufsschule gefunden. Fünfzehn Stunden die Woche soll Sauer Berufsschüler in Wirtschaftslehre und Rechnungswesen unterrichten. Er freut sich darauf, zumal er dann noch genug Zeit für Entspannung und Hobbys hat. "Für meine Ehe ist es besser, wenn wir beide arbeiten", sagt Sauer. "So haben wir beide etwas zu tun. Aber das Beste ist, dass wir parallel Schulferien haben. Das macht dann immer noch drei Monate Segeln."

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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