Imagefilm Yale:"Das gottverdammteste Ding, das ich je sah"

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Amerika ohne "Dickerchen": Studenten der US-Eliteuniversität Yale werben für ihre Hochschule - und trällern dafür in einem denkwürdigen Internet-Video.

T. Schwarzenbach

Wissenschaftler der Universität Berkeley haben herausgefunden, dass ein Mittagsschlaf die Lernfähigkeit steigert, was die Studenten der Eliteuni vermutlich nur kurz aufschnarchen ließ von ihrem Nickerchen in der ehrwürdigen Morrison-Bibliothek. Wer sich dort umsieht, stellt fest: Schlafende Studenten sind den wachen zumindest zahlenmäßig oft überlegen. Eine andere Nachricht rüttelte dafür in Yale alle wach, einer der ältesten US-Hochschulen: Studenten und Absolventen haben einen Imagefilm produziert, ein 17-minütiges Musical mit dem Titel "That's why I chose Yale", das auf Youtube innerhalb eines Monats fast eine halbe Million Mal aufgerufen wurde.

Ist das ernst gemeint?

Zum einen kam das Video überraschend, hatte man sich doch an das alte gewohnt, das seit fast zehn Jahren für die Hochschule warb. Zum anderen ist das Musical so kitschig - Studenten tanzen in Heiler-Welt-Manier über den Campus und singen wenig originelle Reime ("You can put your hearts into all the Liberal Arts") -, dass die Frage sich aufdrängt: Ist das ernst gemeint?

Das Intellektuellen-Magazin New Yorker ließ dazu ältere Yale-Absolventen zu Wort kommen, die das Musical zum Teil ungalant kommentierten: "Das ist das gottverdammteste Ding, das ich je gesehen habe." Und Ivygate, ein Internetblog über Colleges, urteilte über den Imagefilm: "Das ist der Grund, warum ich mich dafür entschied, einen Lötkolben in meine Ohren zu rammen."

Ersatz für den verstaubten PR-Film

Das Zulassungsbüro von Yale ist anderer Meinung und hat mit dem Musical wohl den letzten der verstaubten PR-Filme der Universität ersetzt, die ansonsten sehr progressiv Eigenwerbung betreibt. So platzieren Medienexperten die Elite-Uni auf Wikipedia, Twitter, Facebook und Youtube. US-Hochschulen werben aggressiver um Studenten, als es in Deutschland üblich ist. Doch präsentieren sich inzwischen auch deutsche Universitäten auf Internet-Plattformen, und Studenten produzieren musikalische Werbefilme, sogenannte Lipdubs: Playbackmusik, zu denen Studenten und Professoren ihre Lippen bewegen und in einer Kamerafahrt ohne Schnitt ihre Universität vorstellen.

Betagte Fans

Die Studenten von Yale sind jenen aus Deutschland aber gleichzeitig voraus und hinterher: Die deutschen Musikvideos sind kurz und in der Regel ernsthaft, das Yale-Video dagegen soll humorvoll sein. Der Humor allerdings, und das ist der Haken daran, offenbart sich eigentlich erst gegen Ende einer langen audiovisuellen Reise über den Campus. Und wer, fragt der New Yorker, sieht sich dieses Musical bis zum Ende an? Die Zulassungsstelle von Yale erklärt darauf, die Länge des Videos sei üblich für einen Imagefilm.

Und schließlich gibt es auch begeisterte Befürworter des Musicals. Dick Cavett zum Beispiel, 73 Jahre alt, US-Moderator und ehemaliger Yale-Student. Er findet das Video "reizend". Nur über eine Sache wundere er sich: Ob das Video wirklich in Amerika gedreht wurde, weil darauf ja gar keine "Dickerchen" zu sehen seien.

© SZ vom 08.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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