SZ-Leser Kathrin S. fragt:
Ich bin Betriebswirtin mit langjähriger internationaler Vertriebserfahrung und Mutter zweier Schulkinder. Nun bin ich - in ungekündigter Stellung - auf Jobsuche und habe das Gefühl, dass ich für viele Unternehmen zwar ein interessantes Profil habe, mein Wunschgehalt in Verbindung mit meiner gewünschten Arbeitszeit von maximal 30 Stunden aber abschreckend wirkt. Das Wunschgehalt ist mir dabei längst nicht so wichtig wie akzeptable Arbeitsbedingungen. Wie kann ich in meiner Bewerbung signalisieren, dass ich zu Abstrichen beim Gehalt bereit bin, ohne mich jedoch genau festlegen zu müssen?
Vincent Zeylmans antwortet:
Liebe Frau S., Ihr Profil hält alle Erfolgskomponenten für eine berufliche Weiterentwicklung bereit: BWL-Studium, Internationalität, Vertrieb, ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Damit können Sie sich auf viele Positionen bewerben. Dazu werden Frauen - aus meiner Beobachtung - derzeit häufig bevorzugt eingestellt. So weit, so gut.
Gehalt:Pendelzeit ist Arbeitszeit
Viele Berufstätige fangen schon auf dem Weg ins Büro an zu arbeiten und tun es noch auf dem Heimweg. Das wäre auch gut so - wenn sie dafür entschädigt würden.
Dennoch sprechen Sie von einer Herausforderung, die durchaus real ist. Im Gegensatz zu Nachbarländern wie etwa den Niederlanden ist Teilzeit in Deutschland noch immer ein vermintes Gelände, zumindest für anspruchsvollere Tätigkeiten. Wenige Arbeitgeber können sich vorstellen, dass Fachexperten ihren Aufgabenbereich auch dann gut ausfüllen, wenn sie nicht täglich verfügbar sind. Und bei Führungskräften wird der Wunsch nach Präsenz ohnehin in Großbuchstaben geschrieben.
Die Frage ist, wie Sie Vorurteilen und eventuell berechtigten Bedenken begegnen können. Wir leben in Zeiten, in denen "Home office" kein Fremdwort mehr ist. Auch Urlaubswochen und etwaige Krankheitstage werden schließlich überbrückt, ohne dass ein Unternehmen zusammenbricht. Was für ein Sechstel der Zeit möglich ist, könnte demnach auch ein Modell für das gesamte Jahr sein.
Diese Überlegungen nutzen allerdings nichts, wenn sie vom Arbeitgeber nicht wahrgenommen werden. Wie kann es also zum Dialog kommen? Wo können Sie Ihre Argumente darlegen? Und wann ist der beste Zeitpunkt, um Ihren Wunsch nach Teilzeitarbeit kundzutun, ohne dass Sie Chancen vergeben?
Natürlich ist der einfachste Weg die Einladung zum Vorstellungsgespräch. Wenn Sie den Eindruck haben, dass der Arbeitgeber von Ihnen angetan ist, können Sie die Forderung vorbringen, dass Sie nur "in Teilzeit zu haben sind". Aber ist das auch der beste Weg? Denn damit verärgern Sie möglicherweise Ihr Gegenüber. Denn hätte er das von vorneherein gewusst hätte, wäre möglicherweise keine Einladung erfolgt.
Alternativ könnten Sie anrufen und sich im Vorfeld erkundigen, ob die Position auch in Teilzeit ausgeübt werden könnte. Diese Vorgehensweise ist fair - und gleichzeitig gefährlich. Denn möglicherweise erhalten Sie vorschnell eine ablehnende Rückmeldung, die auch damit zusammenhängt, dass der Arbeitgeber Ihre Bewerbungsunterlagen noch gar nicht gesehen hat. Der Königsweg scheint also folgendermaßen auszusehen: Sie senden Ihre Bewerbung und tun gleichzeitig kund, dass Sie Teilzeit bevorzugen würden.
Über Abstriche beim Gehalt würde ich gar nicht reden. Die meisten Arbeitgeber suchen einen qualifizierten Mitarbeiter und sind bereit, diesen marktgerecht zu entlohnen. Wer sich als Schnäppchen anpreist, läuft Gefahr, an wahrgenommener Attraktivität zu verlieren. Ihre Gehaltsforderung ist ohnehin wettbewerbsfähig. Denn Sie füllen die Position nur in 75 Prozent der Zeit aus und nehmen somit Abstriche von 25 Prozent in Kauf.
Vincent Zeylmans war lange Bereichsleiter und Geschäftsführer in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis. Heute lebt er als Autor, Karrierecoach und Outplacementberater in Emmerich am Rhein.