Frauen in Unternehmensberatungen:Absprung statt Aufstieg

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In deutschen Unternehmensberatungen geben Männer den Ton an - nicht mal ein Fünftel der Consultants ist weiblich. An die Spitze eines Beratungsunternehmens hat es noch keine einzige Frau geschafft - eher wandern die Spitzen-Mitarbeiterinnen ab.

Christine Demmer

Als erfolgreich gelten Unternehmensberater dann, wenn sie keine mehr sind. Wenn sie nicht mehr "Senior Consultant" oder "Principal" sind, sondern "Chef" einer renommierten Beratungsgesellschaft, wenn sie seit Jahren keine Stundenzettel mehr ausfüllen und von den Managermedien hofiert werden. Kurios genug, werden sie auch dann bewundert, wenn sie der Branche ganz den Rücken kehren und vom Berater zum Topmanager aufsteigen - mithin zu einem Ratsuchenden.

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Für mehr als 20 Milliarden Euro hat die deutsche Wirtschaft 2011 Beratung eingekauft, in der Regel der Mann vom Mann. Frauen liegen in diesem Geschäft nicht in Führung, weder auf Seite der Kunden noch auf der ihrer Einflüsterer. Von den schätzungsweise 91.000 Consultants ist nur jeder fünfte eine Frau. Keine einzige konnte sich bisher auf den Chefsessel schwingen, jedenfalls nicht in einer der großen deutschen Beratungsfirmen.

Anderswo schon: Nach 17 Jahren bei McKinsey wechselte Claudia Nemat im vergangenen Oktober in den Vorstand der Deutschen Telekom. Zum gleichen Zeitpunkt übernahm Susanne Klöß, bis dahin Partnerin bei Accenture, die Leitung des Privatkreditgeschäfts bei der Deutschen Bank. Und auch im Lebenslauf von Meg Whitman, CEO des Computerkonzerns HP, stehen acht Beraterjahre bei Bain & Company.

Als Karrieresprungbrett scheint die Beratung also zu federn. Warum nur nicht in den eigenen Häusern? "Frauen sind in den Topmanagement-Beratungen inzwischen sehr präsent, und viele sind auch auf dem Weg nach oben", beteuert Antonella Mei-Pochtler, Senior Partner bei der Boston Consulting Group (BCG) in München. "Gleichwohl dauert es ein paar Jahre, bis man im obersten Management angekommen ist. Daher sind bisher nur wenige Frauen in den Top-Executive-Rollen vertreten und treten deshalb auch öffentlich weniger in Erscheinung." Es sei aber nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändere. Über alle Karrierestufen hinweg liege der Anteil weiblicher Berater bei BCG bei 20 bis 25 Prozent. Und unter den mehr als hundert BCG-Partnern in Deutschland und Österreich gebe es immerhin schon acht Frauen.

Wie viele Frauen ganz oben bei McKinsey entscheiden, verrät man dort nicht. Nur so viel: Der aktuelle Frauenanteil liege bei knapp über 20 Prozent. "Bei Neueinstellungen lag der Frauenanteil 2011 jedoch bereits bei 30 Prozent", sagt Recruiting-Sprecherin Mirona Pokorny. Und McKinsey tue sehr viel, um beim Frauenanteil einen "fair share" zu erreichen.

Hinweise darauf gibt die Vielzahl von Angeboten und Förderprogrammen, von Kinderbetreuung und flexiblen Arbeitszeitmodellen bis zu Workshops für Studentinnen und junge Berufstätige. Trotzdem bewerben sich erheblich weniger Frauen als Männer für die glamourösen Consulter-Jobs zwischen Kundenbüro, Flughafen-Lounge und Sternehotel.

Umfragen zufolge liegt der Beraterberuf bei Hochschulabsolventen vorn, doch Männer geben den Ton an. Nicht die Beratungsgesellschaften schrecken vor den Frauen, sondern die Frauen vor der Beratung zurück. Mögliche Gründe sind die üblichen Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage, die oft wochenlangen Einsätze weit weg von zu Hause, die in dieser Branche sehr ausgeprägte Hierarchie oder auch die Furcht, als Frau von den Kunden nicht für voll genommen zu werden.

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Stefan Menden aus Köln hat früher einmal als Berater gearbeitet und danach einen Bewerbungsratgeber für angehende Consultants geschrieben. "Diese Branche ist eine Männerdomäne", sagt er, "sie ist maskulin geprägt und sehr anstrengend." Für sein Buch hat Menden vor Jahren den Beraterinnenanteil recherchiert und herausgefunden, dass Deutschland im Weltvergleich zurückliegt. "Bis heute hat sich nicht viel getan", sagt er.

Menden vermutet, dass die vielen männlichen Kunden der deutschen Beratungshäuser dafür verantwortlich sind. "In anderen Ländern wird Beratung meist von Konzernen nachgefragt", sagt der Betriebswirt, "der typische deutsche Kunde jedoch ist ein großer Mittelständler. Und dort herrscht nun mal eine klassische Männerkultur." Er selbst habe als Berater nur mäßigen Erfolg bei der Anwerbung von Beraterinnen gehabt.

Auch die Strategieberatung Roland Berger bemüht sich um den weiblichen Nachwuchs. "In einigen Teams ist schon jeder zweite Consultant eine Frau", sagt HR Senior Expert Katja Monschau. "Damit das so weitergeht, bieten wir jeder Neueinsteigerin an, sich mit einer erfahrenen Beraterin auszutauschen und sie als Coach für Themen rund um den Berufsalltag zu nutzen." Kinderbetreuung, Home Office-Tage, Teilzeitmodelle, Patenschaften, regelmäßige Netzwerktreffen - alles ist möglich bei Roland Berger. Doch auch hier besteht ein Beraterteam aus vier Teilen Männer und einem Teil Frau. Da braucht die Minderheit schon ein starkes Ego, um sich gegen die Mehrheit durchzusetzen.

Das aber ist bei Frauen nicht so weit verbreitet. "Beim Selbstmarketing sind Frauen häufig zurückhaltender als Männer", hat Imke Keicher beobachtet. Möglicherweise befürchteten die jungen Frauen, von den selbsternannten Platzhirschen an den Rand gedrängt zu werden. Keicher selbst hat dem offenbar ausweichen können: Sie ist eine von zwei Vizepräsidentinnen bei Capgemini Consulting und beziffert den Frauenanteil unter ihren Beratern auf 27 Prozent.

Gerne hätte sie mehr davon: "Wenn eine Beraterin nach der Elternzeit zu uns zurückkehren möchte, ist sie herzlich willkommen", wirbt Keicher. Sie verweist auf ihre Kollegin, die Mutter ist und Teilzeit arbeitet. Solcher Vorbilder wird es noch mehr bedürfen, damit Berater und Beraterinnen den Erfolg nicht woanders suchen.

© SZ vom 14.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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