Entgelttransparenzgesetz:Was verdienen eigentlich die anderen?

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Das Gehaltsgefüge in deutschen Firmen soll transparenter werden. (Foto: dpa)

Von Februar an können Arbeitnehmer Einblick in die Gehälter der Kollegen verlangen. Das neue Gesetz zur Lohngleichheit verspricht jedoch mehr als es hält.

Von Martin Scheele

Markulf Behrendt kennt sich in der deutschen Unternehmenslandschaft aus. Als Arbeitsrechtler der internationalen Kanzlei Allen & Overy berät er Firmen aller Größen in Personalfragen. Der 43-Jährige weiß deshalb auch, dass sich eine bestimmte Art von Unternehmen rasch auf das Entgelttransparenzgesetz vorbereiten muss.

Dieses Gesetz verbietet eine ungleiche Bezahlung aufgrund des Geschlechts. Die Existenz des sogenannten Gender Pay Gaps, also die Entgeltlücke in der Bezahlung von Männern und Frauen, bestreitet kaum ein Experte. Die unbereinigte Quote, die Ausbildung, Berufserfahrung oder Position unberücksichtigt lässt, lag 2016 dem Statistischen Bundesamt zufolge bei 21 Prozent. Die bereinigte Quote betrug 2014 - der Wert wird nur alle vier Jahre erhoben - bei sechs Prozent.

Das Entgelttransparenzgesetz, seit Juli dieses Jahres in Kraft, hat ein hehres Ziel. Es will erreichen, dass Männer und Frauen für vergleichbare Arbeit den gleichen Lohn erhalten. Es soll mehr Transparenz über betriebliche Gehaltsstrukturen und die Maßstäbe der Arbeitsbewertung schaffen, um Diskriminierung zu beseitigen. Um sich darauf vorzubereiten, hatten die Unternehmen fast sieben Monate Zeit - bis zum 1. Februar 2018. Von diesem Tag an hat jeder Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern einen individuellen Auskunftsanspruch.

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Das gilt auch für jenen inhabergeführten Konzern, der dem Arbeitsrechtler Behrendt sofort in den Sinn kommt. Das Unternehmen, das der Jurist nicht beim Namen nennen darf, unterliegt keiner Tarifbindung. Ein Großteil der Gehälter ist individuell verhandelt worden und unterscheidet sich deshalb auch stark, sogar bei ähnlichen Jobs. "Unternehmen wie dieses scheitern schon daran, eine Vergleichsgruppe zu bilden, weil die Vergütung - speziell bei Führungskräften - ganz persönlich ohne irgendwelche Vergleichstabellen verhandelt wurde."

Behrendt kann sich gut vorstellen, dass besonders weibliche Führungskräfte wie etwa eine Abteilungsleiterin gerne ihr Gehalt verglichen haben möchten. Und spätestens hier fangen nach Meinung vieler Juristen die Probleme des Gesetzes an. Denn zum Vergleich müssen sechs andere Abteilungsleiter gefunden werden, die in etwa die gleiche Tätigkeit ausüben.

"Dies kann selbst bei großen Unternehmen zum Beispiel bei der Position 'Abteilungsleiter in der Rechtsabteilung' schwierig sein", sagt Florian Harder, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Linklaters. "Die Beweisführung ist aus Sicht des Arbeitnehmers also alles andere als einfach." Hinzu kommt: "Je komplexer Positionen und das Aufgabengebiet sind, desto schneller kann eine Gleichartigkeit mit anderen Positionen verneint werden."

Das Gesetz hat nach Meinung von Harder und Behrendt noch weitere Tücken. "Zur Berechnung der Vergleichsgruppe wird nicht etwa der Durchschnittswert genommen, sondern der Median", sagt Behrendt, also der statistische Mittelwert. "Der Median ist aber anerkanntermaßen ungeeignet, um eine Ungleichbehandlung aufzuzeigen." Die Juristen fordern deshalb bereits eine Verbesserung des Gesetzes. "Neben der notwendigen Heranziehung des Durchschnittswerts statt des Medians muss das Gesetz auch weiter konkretisiert werden", sagt Behrendt. "Der Gesetzgeber muss deutlich machen, inwiefern Gehaltsbestandteile wie etwa ein Dienstwagen mitberücksichtigt werden. Gehälter unterscheiden sich zudem auch durch den regionalen Aspekt. Auch dies muss geklärt werden."

Um sich vor Auskunftsersuchen von Mitarbeitern zu wappnen, raten Juristen den Firmen zu einer guten Vorbereitung. "Eine Bestandsanalyse und eine Risikoeinschätzung im Hinblick auf die Regelungen des Gesetzes ist unerlässlich", sagt Silvia Lang von der Kanzlei Hogan Lovells. "Zudem sollten Stellenbeschreibungen und Entgeltsysteme geprüft werden." Auch unter Image-Gesichtspunkten sei dies sinnvoll, sagt Jurist Harder. "Wer nachweisen kann, dass keine Gehälterdiskriminierung vorliegt, kann bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter punkten."

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Trotz der mahnenden Worten der Juristen, die durch das neue Gesetz natürlich auch ein lohnendes Geschäft wittern, geben sich die meisten Unternehmen nach außen gelassen. Laut einer aktuellen Umfrage des Personaldienstleisters Lurse bestätigen nur 15 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie eine Entgeltlücke bei sich sehen und folgerichtig Handlungsbedarf besteht. Gleichwohl sind 43 Prozent schon tiefer ins Thema eingestiegen. Vor allem große Unternehmen haben bereits erste Maßnahmen umgesetzt.

Fragt man allerdings direkt nach, bestreiten die Firmen eine unfaire Entlohnung. Die Schnellimbisskette McDonald's weist beispielsweise auf den mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten geschlossenen Tarifvertrag inklusive der einzelnen Tarifklassen hin. "Wir überprüfen regelmäßig die Gehaltsstrukturen", sagt ein Sprecher. Dies geschehe einerseits basierend auf internen Kriterien, andererseits auf marktüblichen Standards. Das weltweit agierende Umwelttechnikunternehmen Schunk teilt klipp und klar mit: "Bei uns werden Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit auch gleich bezahlt. Das liegt daran, dass wir als tarifgebundenes Unternehmen nach dem Entgeltrahmenabkommen zwischen IG Metall und dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall bezahlen." Eine IG-Metall-Sprecherin weist aber darauf hin, dass es auch in Unternehmen mit Tarifvertrag eine Entgeltlücke geben kann.

Der Pharmakonzern Bayer kann bei der Frage nach einer möglichen Lohnungleichheit auf die Studie "Lohngleichheit im Betrieb" des Bundesfamilienministeriums hinweisen, für die auch die Gehälter von 2400 Bayer-Mitarbeitern analysiert wurden. "Im Ergebnis wurde bei uns eine bereinigte Entgeltlücke von minus 1,7 Prozent festgestellt", erklärt ein Sprecher. "Wir haben bei Bayer keine Anhaltspunkte für die Existenz einer signifikanten oder gar systematischen Entgeltlücke."

Also alles gut? Die Anfragen von Mitarbeitern, die von Januar an in den Unternehmen eingehen, werden es zeigen.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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