Deutsch-Chinesische Forschung:Mit chinesischem Ehrgeiz

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China tritt in der Wissenschaft sehr selbstbewusst auf und arbeitet eng mit deutschen Hochschulen zusammen. Das führt manchmal zu Konflikten.

Johann Osel

Die typischen Bilder dürfen natürlich nicht fehlen: Laute Metropolen mit einem Gewusel aus Menschen, Autos und Fahrrädern, andächtige Mönche in der Pagode oder Bauern, die riesige Reissäcke schleppen. Doch in dem Film "Zusammen auf dem Weg des Wissens", der zum Deutsch-Chinesischen Wissenschaftsjahr 2009/10 erstellt wurde, fallen auch viele deutsche Worte - von Studenten und Forschern, die es nach China gezogen hat. Im Sommer ist das Aktionsjahr zu Ende gegangen, Hunderte Veranstaltungen und Delegationsreisen gab es, viele deutsche Hochschulen boten "China-Wochen" an. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sprach von einer "Initialzündung für eine neue Qualität der Kooperation zwischen Deutschland und China". Eine Initialzündung ist eigentlich schon gar nicht mehr nötig.

Absolventen an der Huazhong-Universität: China will in der Wissenschaft weltweit mitspielen, die Forscher gelten als sehr motiviert. (Foto: dpa)

Dass die Zusammenarbeit seit Jahren floriert, zeigt ein Jubiläum: Am 19. Oktober feiert das Zentrum für Wissenschaftsförderung in Peking zehnjähriges Bestehen, eine gemeinsame Einrichtung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und ihres Pendants, der National Natural Science Foundation of China (NSFC). Als sich die NSFC 1986 gründete, schloss die DFG kurz darauf ein erstes Abkommen. Das Pekinger Zentrum war vor zehn Jahren dann die erste DFG-Auslandsrepräsentanz - noch vor Washington und Moskau.

"Es gehörte damals eine gute Portion Weitsicht dazu, ein solches Zentrum zu installieren", sagt Armin Krawisch, deutscher Direktor des Zentrums. Die beiden Organisationen finanzieren es je zur Hälfte und besetzen die Gremien paritätisch. "Wir sind vor zehn Jahren auch nicht als Entwicklungshelfer nach China gekommen. Es sollte von Anfang an eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein."

Anders als bei klassischen DFG-Stellen im Ausland verwalten die Organisationen beider Länder zusammen ein eigenes Budget, mit dem deutsch-chinesische Symposien und Forschungsprojekte gefördert werden. Agrarwissenschaftler aus München und Zhejiang beispielsweise konnten dadurch miteinander arbeiten oder Virologen aus Freiburg und Guangzhou.

Der Studenten-Strom von China nach Deutschland ist allerdings noch weitaus größer als umgekehrt. Das asiatische Land entsendet gut 270.00 und stellt damit die größte ausländische Studentengruppe in Deutschland. In die Gegenrichtung wagen sich bisher nur um die 3000 Studenten. Auch um den Austausch von Nachwuchswissenschaftlern kümmert sich das Zentrum, zudem versteht man sich als Service-Einrichtung, bietet Veranstaltungsräume in Peking oder hilft, wenn Missverständnisse wegen der unterschiedlichen Mentalitäten entstanden sind. Wobei kulturelle Unterschiede kaum noch eine Rolle spielen.

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Das bestätigt auch Harald Fuchs, Physik-Professor von der Universität Münster und Sprecher des ersten deutsch-chinesischen Sonderforschungsbereichs der DFG. Dort forschen Physiker, Biologen und Chemiker beider Länder zur Nanotechnologie. Fuchs, der auch mehrere Gastprofessuren in China innehat, weist darauf hin, dass viele Chinesen ihre Postdoc-Zeit in Europa oder in den USA verbracht haben und dadurch geprägt wurden. "Wenn man auf der gemeinsamen Meta-Ebene Forschung mitspielt, sind die Standards vergleichbar, man denkt ähnlich". Beispielsweise wird Chinesen oft attestiert, Probleme nur verklausuliert und höflich anzusprechen. Hier passte man sich an: "Grundlagenforschung erfordert ständige Korrekturen an der Sache. Da darf man nicht um den heißen Brei herumreden", sagt Fuchs.

Auch im Alltag muss man sich als Gast keine Sorgen machen. Beobachtung reicht in der Regel, um nicht in Fettnäpfchen zu treten. "Und wenn man sich etwa zu Tisch bei der Essensreihenfolge unsicher ist, kann man auch offen fragen", sagt Fuchs. Nur: Beiläufige Scherze über eine Person oder andere Flapsigkeiten, wie sie in Deutschland vielleicht die Stimmung auflockern, sollte man unterlassen. Das persönliche Ansehen ist in China extrem wichtig, ein Gesichtsverlust durch eine unbedachte Bemerkung oder zwanglose Kumpelhaftigkeit kann tief treffen.

Ähnliches gilt für Politisches: Im Alltag ist der Einfluss des kommunistischen Systems zwar wenig spürbar, außer dass es etwa Probleme beim Aufrufen internationaler Internetseiten geben kann. Dennoch kann es Probleme geben, wenn man bei den Partnern das Thema Menschenrechte offen anspricht. Weil die chinesische NSFC ihren Schwerpunkt in den Naturwissenschaften hat, gehören politikwissenschaftliche Themen ohnehin nicht zum Förderauftrag.

Den Einfluss des Zentralkomitees merkt man bei der politischen Steuerung der Wissenschaft. Wenn die Führung Schwerpunkte setzen will, fließt Geld. Anders als in Deutschland gibt es etwa ein Prämiensystem für Publikationen in wichtigen Fachzeitschriften wie Science oder Nature. Auch werden die besten Köpfe aus dem Ausland zurückgeholt. Generell bahnt sich hier ein gänzlich nicht-kommunistischer Konkurrenzkampf an, chinesische Forscher gelten als sehr motiviert.

Über die Schattenseiten dieses Ehrgeizes ist immer dann zu hören, wenn etwa von Patentklau die Rede ist. "Man darf hier nicht alles pauschal über einen Kamm scheren", warnt Fuchs. Doch tatsächlich fehle in China das Bewusstsein dafür. Wenn jemand etwas kopiert und dabei besser und billiger mache, werde das eher als Ehrerbietung an den Erfinder gesehen. Transparenz ist daher wichtig: Auf Patenten, die aus der gemeinsame Arbeit stammen, stehen beide Partner, man publiziert gemeinsam, informiert sich. "Die Zusammenarbeit ist von wechselseitigem Vertrauen geprägt, das über die Zeit gewachsen ist", sagt DFG-Präsident Matthias Kleiner. Nach zehn Jahren Pekinger Zentrum könne man noch immer das Besondere daran feiern. "Spätestens beim 20.Jubiläum wird die Kooperation zu einer Selbstverständlichkeit geworden sein."

© SZ vom 11.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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