Wer in einer solchen Umbruchphase nicht weiter weiß, geht zu Karriereberatern wie Elke Wagenpfeil. In ihrem Frankfurter Büro arbeitet sie mit ihren Klienten daran, konkrete Ideen und mögliche nächste Schritte zu entwickeln. "Wer zu mir kommt, hat ja schon die Entscheidung getroffen, etwas verändern zu wollen. Die Frage ist oft nur, was und wie", sagt Wagenpfeil. Erst beleuchtet sie mit ihren Klienten deren aktuelle Situation: Was können sie, was interessiert sie und welche Werte sind ihnen wichtig. Die meisten könnten bereits durch kleine Veränderungen ihre Situation verbessern. Etwa indem sie innerhalb ihres Aufgabengebiets wechseln oder innerhalb einer Firma, etwa vom Marketing in den Vertrieb.
Unzufriedenheit im Beruf könne an vielen, sehr individuellen Gründen liegen, sagt Wagenpfeil, schließlich sei die Arbeitswelt komplex: "Manchen macht der Beruf keinen Spaß mehr, andere fühlen sich über- oder unterfordert, wiederum andere sehen keine Entwicklungsmöglichkeiten."
Letztlich können von Quer- und Seiteneinsteigern auch die Arbeitgeber profitieren. Menschen, die nur ein Unternehmen kennen, gelten heute schnell als firmenblind, als solche, die sich nicht verändern können und wollen, erklärt Christian Pape: "Wir können Wechsel nur befürworten - letztlich sind wir ja auch diejenigen, die das initiieren. Die typische Karriere ist out." Pape ist Headhunter in München, er sucht im Auftrag von Unternehmen Arbeitskräfte für bestimmte Positionen. Jemand, der nicht wechselwillig ist, ist für ihn zwangsläufig kein interessanter Kandidat. "Ich gehe sogar so weit, jedem Kandidaten zu sagen, dass er sich mit jedem Jahr, das er im gleichen Unternehmen bleibt, davon abhängiger macht", so Pape. Allerdings sei nicht jeder Personalchef für Berufswechsler offen.
Unternehmen haben zwar Probleme, die richtigen Leute zu finden. Sie neigen aber dazu, lieber eine Stelle nicht zu besetzen, als eine vermeintliche 60-Prozent-Lösung zu wählen. Dabei ist es wichtiger, sagt Pape, jemanden einzustellen, dessen Persönlichkeit passt: "Fachwissen kann man vermitteln, Persönlichkeit haben kann man nicht lernen. Da müssen wir schon manchmal Überzeugungsarbeit leisten."
Auch der Polizeikommissar Oslizlo sah irgendwann keine Möglichkeit mehr, sich in seinem Beruf weiterzuentwickeln. Nach der Ausbildung war er direkt zur Kriminalpolizei gewechselt, ermittelte bei Versicherungsbetrug, Korruption und Geldwäsche. Nebenbei beschäftigte er sich mit dem Thema Compliance, der Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien in Unternehmen, und schrieb sich schließlich an einer privaten Universität für einen passenden Masterstudiengang ein, berufsbegleitend. "Ich hatte den Eindruck, das sei auch für die Polizei ein Gewinn", sagt er über das Studium, "dieser Eindruck hat sich nicht so bestätigt."
Je länger das Studium dauerte, desto klarer sei ihm geworden, dass er wohl außerhalb der Polizei weitermachen würde. Er schätzte seine Chancen auf Beförderung gering ein: "Das hat die Entscheidung, zu wechseln, sehr erleichtert." Nach einem Vorstellungsgespräch bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft wurde aus dem Ex-Koch ein Ex-Polizist, der wenige Monate nach seinem 40. Geburtstag nach Frankfurt am Main umzog. "Ich muss ehrlich sagen, drei Jahre später hätte ich so einen Schritt nicht mehr gemacht. Man ist in einem neuen Umfeld, hat andere Herausforderungen, lernt neue Leute kennen, die anders ticken. Man verlässt die Komfortzone." Genau das ist ein weiterer Grund, warum Berufswechsel so selten sind: Sie verlangen den Betroffenen viel ab.
Trotzdem sind Berufs- und Karriereverläufe nicht mehr so homogen wie noch vor ein paar Jahren. Das lässt sich empirisch belegen, sagt Dittmann von der Leibniz-Universität Hannover: "Karriereverläufe differenzieren sich weiter aus, das liegt sicherlich auch an der gestiegenen Mobilität. Die Leute sind eher bereit, länger zu pendeln, umzuziehen, können sich besser informieren. Ohne viel Aufwand ist einem der ganze Stellenmarkt in Deutschland zugänglich."
Martin Oslizlo ist mit sich im Reinen, schließlich habe er immer bewusste Entscheidungen getroffen. Er lebt inzwischen in Düsseldorf und leitet die Ermittlungsabteilung der Ergo-Versicherungsgruppe. Wohin ihn sein Berufsweg noch führt, weiß er nicht. "Ich habe einmal dieses Zitat von einem Politiker gelesen: 'Das Leben ist zu interessant, als dass man immer das Gleiche machen sollte.' Das ist doch ein gutes Motto auch für das Berufsleben."