SZ-Leserin Ronja W. fragt:
Ich plane einen krassen Berufswechsel und frage mich, wie ich das im Bewerbungsanschreiben kommuniziere. Der Hintergrund: Ich bin 44 Jahre alt und habe einen Magister in Italienisch, Germanistik und VWL. Bereits während des Studiums habe ich zwei Jahre in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Fraunhofer-Gesellschaft gearbeitet. Nach der Uni folgten ein PR-Volontariat und mehrere Jahre als Beraterin in PR-Agenturen. Dann wurde ich sehr krank und wollte nicht weitermachen wie bisher. Also bin ich noch Ergotherapeutin geworden. Als solche habe ich nun acht Jahre gearbeitet. Ich habe aber gemerkt, dass ich in diesem Job auf Dauer unterfordert bin. Deshalb möchte ich jetzt wieder zurück. Meiner Ansicht nach habe ich nichts verlernt, aber wie erkläre ich den Wechsel zur Therapie und jetzt wieder zurück in die Öffentlichkeitsarbeit?
Madeleine Leitner antwortet:
Liebe Frau W., heute ist es nicht mehr so ungewöhnlich, dass Menschen ihren Job grundlegend wechseln. Aber eigentlich handelt es sich bei Ihnen gar nicht um einen Berufswechsel im engeren Sinne. Sie möchten in eine Funktion zurückkehren, die Sie schon einmal innehatten. Ihre Berufserfahrung ist bewerbungstechnisch schon mal ein großes Plus. Ihr Handicap liegt allerdings in der Tatsache, dass Sie längere Zeit fachfremd gearbeitet haben. Sie benötigen daher eine plausible Begründung, warum Sie damals aus Ihrem Beruf ausgestiegen sind und jetzt wieder zurückkehren möchten. Um wirklich authentisch herüberzukommen, müssen Sie dies auch überzeugend formulieren.
Zunächst stellt sich allerdings die wichtigste Frage: Als was und wo möchten Sie überhaupt in Zukunft arbeiten? Möchten Sie wieder zurück ins Agenturgeschäft, in dem Sie früher tätig waren? Bekanntlich herrscht hier große Konkurrenz und ein starker Preisdruck. Üblich sind enorm aufwendige "Pitches", bei denen man trotzdem am Ende leer ausgehen kann. Typische Klagen betreffen auch die mangelnde Planbarkeit, den hohen Zeitdruck und oft extreme Überstunden. Viele PR-Mitarbeiter versuchen daher, auf die andere Seite zu wechseln, also etwa in die Presse- und Öffentlichkeitsabteilung eines Unternehmens oder ins Marketing. Hier können sie zwar selbst die Regeln diktieren, sind aber oft abhängig von anderen beteiligten Stellen im Unternehmen.
Lassen Sie einmal ehrlich Revue passieren, was Ihnen bei Ihrer früheren Tätigkeit besonders gut gefallen hat - und was überhaupt nicht. Überlegen Sie, wie ein neuer Job heute aussehen müsste, damit Sie sich dort auch auf Dauer wohlfühlen können. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit den negativen Seiten. Überlegen Sie unbedingt auch möglichst genau, welche Kriterien Ihre neue Aufgabe und Ihr neuer Arbeitgeber erfüllen müssten. Oft sind es vermeintliche Kleinigkeiten, die einen Job zum Himmel oder zur Hölle werden lassen.
Wie sieht es mit den oben genannten Punkten aus, zum Beispiel mit der Gefahr eines Burn-outs? Welche Werte müssen unbedingt erfüllt werden - oder zumindest nicht offen verletzt? Mit welchen Menschen kommen Sie gut zurecht, mit welchen gar nicht? Wo können Sie zur Not Kompromisse machen? Wo auf keinen Fall? Diese Merkmale helfen Ihnen, mit klaren Vorstellungen an die Umsetzung zu gehen und passende Arbeitgeber ins Visier zu nehmen.
Skurrile Fragen im Vorstellungsgespräch:"Wenn Sie eine Küchenmaschine wären, welche wären Sie?"
Hauptsache, die Frage bringt den Bewerber ins Schwitzen - das ist im Vorstellungsgespräch mitunter das Credo. Was SZ-Leser beim Job-Interview erlebt haben.
Nach der Definition der entscheidenden Kriterien sollten Sie unbedingt noch einmal Ihre aktuelle Tätigkeit unter die Lupe nehmen. Was bedeutet "auf Dauer unterfordert"? Ist das Problem prinzipiell lösbar? Möglicherweise könnten Sie sich in Ihrem Bereich noch weiterqualifizieren, Supervision anbieten oder selbst Therapeuten ausbilden, sich auf bestimmte anspruchsvolle Patientengruppen spezialisieren, bei denen Sie zum Beispiel dann auch Ihre Sprachkenntnisse einsetzen können oder Ihr Know-how als Coaching-Tool einsetzen. Vielleicht ergeben sich hier auch noch ganz andere Optionen.
Meiner Erfahrung nach sind die meisten Menschen gar nicht so verkehrt in ihren Jobs, wie sie selbst meinen. Sollten Sie aber feststellen, dass Sie Ihre aktuelle Tätigkeit auf keinen Fall fortführen und tatsächlich unbedingt in Ihre frühere zurückkehren möchten, könnten Sie mit Ihrer letzten beruflichen Station im Gesundheitswesen aus der vermeintlichen Not eine Tugend machen. Bei einer Klinik, einer Krankenkasse, einer passenden Organisation oder einem Verband könnten Sie sogar mit Ihrer Berufserfahrung punkten.
Erst nach der Klärung Ihres beruflichen Ziels sollten Sie sich auf Jobsuche begeben. Dabei sollten Sie vor allem auf den verdeckten Stellenmarkt setzen. Ist eine Stelle erst einmal offen ausgeschrieben, landen Sie in einem großen Stapel von Mitbewerbern, die vermutlich eine gradlinigere Laufbahn nachweisen können. Hier hat man als Nicht-Idealkandidat in der Regel schlechte Chancen. Doch mehr als die Hälfte der Jobs werden nachweislich nicht durch Bewerbungen vergeben. Gute Erfolgsaussichten haben neben Initiativbewerbungen vor allem Empfehlungen von Freunden, Bekannten oder Ex-Kollegen. Aktivieren Sie daher unbedingt Ihr Kontaktnetz. Auch hier zahlt sich die Klärung Ihres Ziels aus: Wenn andere für Sie Augen und Ohren aufhalten sollen, müssen Sie diese Personen möglichst genau instruieren, was Sie eigentlich suchen.
Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.