Autonomie von Schulen:Wenn der Rektor zum Manager wird

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Schulleiter als unabhängige Unternehmer: Laut Bildungsexperten sollten Schulen selbständig über Personal, Lehrpläne und Budget entscheiden.

J. Osel

Wie selbständig dürfen Schulen handeln, ohne sich nach ihrem Kultusministerium richten zu müssen? Dieter Poschardt, Bildungsforscher an der Universität Erlangen, hat für den Bayerischen Lehrerverband (BLLV) einmal folgendes Szenario erstellt. Darin führt der Schulleiter Auswahlgespräche mit zahlreichen Bewerbern für eine Lehrerstelle, auch Eltern entscheiden hier mit. Von einem Gehaltszuschlag von 200 Euro für die Bewerber ist die Rede, von einem eigenen Etat des Schulleiters. Und von einer Konrektorin, die an diesem Tag ihre Management-Kenntnisse bei einem Seminar auffrischt.

Hitzige Debatte

Schulen als eigenverantwortliche, effizient geführte Unternehmen. "In den skandinavischen Ländern hat man sich davon verabschiedet, Schule nur noch zentralen staatlichen Stellen anzuvertrauen", sagt Poschardt, der früher selbst Rektor einer bayerischen Hauptschule war. In Deutschland ist "Schulautonomie" hingegen vor allem eines: eine hitzig geführte Debatte.

Die Kernfrage: Bis zu welcher Grenze sollen sich Schulen von den Ministerien loslösen können und etwa von den Lehrplänen und Stundentafeln abweichen? Wie viel Eigenverantwortung sollen Schulleiter bei der Einstellung von Lehrern und beim Budget erhalten? Der Aktionsrat Bildung beschäftigt sich mit dieser Frage in seinem Jahresgutachten.

In jedem Bundesland anders

Die Studie, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt, erscheint an diesem Mittwoch und analysiert den Grad der Selbständigkeit anhand der Schulgesetze der 16 Bundesländer. Dem Rat gehören der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, der frühere Koordinator der Pisa-Studie Manfred Prenzel und weitere Bildungsforscher an. Untersucht wurde, welche Möglichkeiten die Länder ihren Schulen bei Finanzen, Personal, Verwaltung und pädagogischem Konzept gewähren. Beinahe jedes Bundesland verfolgt hier eine andere Richtung.

Während etwa Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder Hamburg den Schulleitern oder Schulkonferenzen das Personalbudget und die Einstellung von Lehrern übertragen oder zumindest sich nach deren Vorschlägen richten, gibt es etwa in Berlin, Baden-Württemberg und Hessen nur eine Beteiligung.

Lehrer passen zur Schule

In Bayern, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern fehlt diese fast ganz. Überspitzt formuliert: Würde eine Lehrerin für Sport und Latein perfekt zu einer Schule in Ingolstadt passen, müsste der bayerische Schulleiter machtlos zusehen, wenn das Ministerium sie nach Rosenheim schickt. Oder bei Unterrichtsausfällen: Wenn in Bayern die "mobilen Vertretungs-Reserven" des Ministeriums aufgebraucht sind, ist Schluss. Eine autonome Schule kann leichter Ersatzkräfte anheuern.

Geringfügig abweichend handhaben die Länder den Umgang mit Spenden und Sponsoring. Gravierender sind die Unterschiede bei pädagogischen Aufgaben - flexible Lehrpläne oder eigenständige Festlegung, wie lange eine Schulstunde dauert. Hier gehören Bayern Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Hessen zu den Ländern, die vergleichsweise wenig erlauben.

Individuelles Schulprofil

Ob die Schulleiter die existierenden Freiräume tatsächlich immer nutzen, ist fraglich: Dies hat Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) kürzlich im SZ-Interview eingeworfen. Denn aus Rektoren werden keine Manager, nur weil man sie so nennt. Laut Studie sind sie daher in Management-Kenntnissen auszubilden.

Der Aktionsrat empfiehlt, die Autonomie weiter zu fördern: Begleitet von Evaluation sollen die Schulen Konzepte entwickeln und eigene Haushalte führen. Durch Autonomie "können die Schulen ein individuelles Profil entwickeln. Dies begünstigt einen positiven Wettbewerb, was wiederum zu mehr Bildungsqualität führt", sagte Randolf Rodenstock, Präsident des Verbands der Bayerischen Wirtschaft, der die Studie unterstützt.

Gefahr von akutem Lehrermangel

CSU-Minister Spaenle arbeitet derzeit an einer Reform, es gibt zudem Modellschulen mit geänderten Grundsätzen. In der Frage gebe es aber "kein großes Ja oder großes Nein", warnt Forscher Dieter Poschardt, sondern Vor- und Nachteile: Wenn ein Wettbewerb um Lehrer entstünde und es keine zentrale Zuteilungen mehr gäbe, hätten Gegenden auf dem Land oder Brennpunktschulen akuten Lehrermangel. Andererseits könnte mehr Autonomie etwa zu einem neuen Selbstbild der Pädagogen führen: "In einem dezentralen System kann man nicht alle Dinge, die schlecht laufen, auf das Kultusministerium schieben."

© SZ vom 17.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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