Mehr als jede vierte berufliche Ausbildung in Deutschland wird abgebrochen, das ist der schlechteste Wert seit Beginn der Neunzigerjahre. Bei Auszubildenden, die Koch, Restaurantfachkraft oder Friseur werden wollen, hört sogar etwa jeder Zweite vor der Abschlussprüfung auf. Dies geht aus dem Entwurf für den Berufsbildungsbericht 2018 hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach wurden 2016 gut 146 000 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. Den Bericht legt das Bildungsministerium jedes Jahr vor.
Der Regierungsanalyse zufolge liegt der Anteil der abgebrochenen Ausbildungen mit 25,8 Prozent erstmals über den seit Anfang der Neunzigerjahre üblichen Quoten von 20 bis 25 Prozent. Es gibt aber je nach gewähltem Ausbildungsberuf große Unterschiede: Am höchsten ist der Anteil bei angehenden Sicherheits-Fachkräften mit 50,6 Prozent, am niedrigsten mit 4,1 Prozent bei Azubis, die Fachangestellter in der Verwaltung lernen.
"Dort wo die Vergütung besonders niedrig ist, sind die Abbrecherquoten extrem hoch", sagt Elke Hannack, Vizechefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). "Viele steigen vorher aus, da sie mit der kargen Vergütung nicht über die Runden kommen." Hannack fordert die Bundesregierung deshalb auf, die geplante Mindestvergütung für Azubis schnell durchzusetzen. Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD soll diese zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Die Wirtschaftsverbände lehnen eine Art Mindestlohn für Lehrlinge jedoch als Eingriff in die Tarifautonomie ab.
In dem Bericht werden mehrere Gründe für die hohen Abbrecherquoten angeführt, wie Konflikte mit Vorgesetzten, eine mangelnde Ausbildungsqualität, ungünstige Arbeitsbedingungen sowie falsche Berufsvorstellungen. Betriebe führten hingegen "überwiegend mangelnde Ausbildungsleistungen der Auszubildenden" wie auch deren fehlende "Motivation oder Integration in das Betriebsgeschehen" an, heißt es in der Analyse. Außerdem könnten junge Menschen wegen des gestiegenen Angebots an Lehrstellen eher bereit sein, in ein anderes Ausbildungsverhältnis zu wechseln, da eine vorzeitige Vertragsauflösung nicht zwingend einhergehe mit dem endgültigen Abbruch jeder Ausbildung.
Können Geflüchtete die Lücke schließen?
Insgesamt sieht das Bildungsministerium die Lage am Ausbildungsmarkt "leicht positiv". So ist die Zahl der neu abgeschlossenen Verträge bis zum Stichtag 30. September 2017 mit mehr als 520 000 leicht gestiegen. Angebot und Nachfrage passen jedoch oft nicht zusammen: Die Zahl der unbesetzten Stellen wuchs um fast 13 Prozent auf etwa 49 000, so viele wie seit 1995 nicht mehr. Zugleich blieben knapp 24 000 Bewerber ohne Ausbildungsplatz.
Immer mehr Betriebe bilden keine Lehrlinge aus, obwohl sie dazu berechtigt wären. Ihre Quote stieg erstmals auf mehr als 80 Prozent. Vor allem kleinere Firmen finden keine Bewerber und ziehen sich daher als Ausbildungsbetriebe zurück. Flüchtlinge kommen aber zunehmend auf dem deutschen Ausbildungsmarkt an. Die Bundesagentur für Arbeit zählte 2017 bereits mehr als 26 000 Bewerber unter den Geflüchteten. Etwa 9500 begannen mit einer Ausbildung.