Arbeitswelt:Küssen verboten

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Mitarbeiter, die sich belästigt fühlen, brauchen eine Stelle, bei der sie sich beschweren können. (Symbolbild) (Foto: picture alliance / dpa Themendie)

Ein Techtelmechtel im Büro? Viele amerikanische Unternehmen sehen das nicht gern. Wie die "Me Too"-Debatte das Arbeitsleben verändert.

Von Kathrin Werner

Darf man in Zeiten der "Me Too"-Debatte noch mit Kollegen flirten oder Beziehungen anfangen? Amerikanische Unternehmen sagen zunehmend Nein. Aus Angst vor Klagen gibt sich eine Firma nach der anderen schärfere Benimmregeln. "Seit Herbst steht bei mir das Telefon nicht mehr still", sagt Douglas Smith, Arbeitsrechtler bei der Großkanzlei Jackson Lewis. Damals wurden die ersten Vorwürfe gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein bekannt, viele Frauen offenbarten in der Folge unter dem Begriff "Me Too" Erlebnisse von Missbrauch und Sexismus, Dutzende Schauspieler, Regisseure und auch Manager wurden belastet. "Jetzt haben alle Angst, dass es auch bei ihnen einen 'Me Too'-Fall und Rechtsstreit gibt und wollen ihre Handbücher aktualisieren", erzählt der Jurist Smith.

Feste Vorgaben für Liebeleien im Büro sind schwierig, schließlich hat sich die Arbeitswelt so verändert, dass Privatleben und Job immer mehr verwischen: Chefs schicken nach Feierabend SMS, Mitarbeiter lesen Arbeits-E-Mails im Bett, es gibt After-Work-Partys und alle sind per Du. Viele Firmen sind stolz auf Angebote wie Friseur, Freibier und Wäschedienst, die dazu führen, dass man das Büro kaum noch verlassen muss. Je länger die Menschen arbeiten, desto unwahrscheinlicher wird es, Partner woanders zu finden.

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Trotzdem sinkt die Zahl der Romanzen, die bei der Arbeit beginnen, seit der "Me Too"-Debatte. 36 Prozent aller Amerikaner waren einmal mit einem Kollegen zusammen oder sind es gerade, hat die Jobwebsite Careerbuilder in einer Umfrage Ende 2017 ermittelt - ein Zehnjahrestief. Das liege entweder an Angst vor Belästigungsvorwürfen oder an einer neuen Scheu, Beziehungen publik werden zu lassen, sagt Rosemary Haefner von Careerbuilder. "Fakt ist, dass es Büroromanzen seit Ewigkeiten gibt und weiter geben wird." Auch Affären mit Vorgesetzten seien nichts Ungewöhnliches, vor allem für Mitarbeiterinnen und männliche Chefs. 31 Prozent aller Ehen der USA beginnen im Job, auch in Deutschland ist das Büro eine der wichtigsten Partnerbörsen.

Anwalt Smith rät dennoch zu einer "Null-Toleranz-Politik", vor allem, wenn es um Beziehungen zwischen Managern und Untergebenen geht. "Das Haftungsrisiko ist einfach zu hoch." Sowohl der Vorgesetzte als auch die Personalabteilung könnten nie sicher sein, ob das Techtelmechtel einvernehmlich ist, wenn der eine über Gehalt und Karriere des anderen entscheide. "Wer eine Mitarbeiterin um ein Date bittet, sollte seinen Job verlieren." Bei Facebook und Google gilt hingegen: Man darf Kollegen oder Kolleginnen um ein Date bitten, aber nur ein einziges Mal. Lehnt er oder sie ab oder weicht aus, darf nicht noch einmal gefragt werden. Dates zwischen Mitarbeitern verschiedener Hierarchieebenen sind bei Facebook nicht per se verboten, müssen nur bei Interessenskonflikten gemeldet werden.

Aber wie lassen sich Benimmregeln überhaupt durchsetzen, vor allem, wenn es um das Verhalten nach Feierabend geht? "Zu strenge Regeln lassen sich nicht forcieren, zu weiche bringen nichts", meint Teresa Marzolph von der auf kleinere Firmen spezialisierten Managementberatung Culture Engineered. Das Wichtigste sei, dass Mitarbeiter, die sich belästigt fühlen, einen Weg haben, sich zu beschweren. Viele ihrer Kunden schreiben nun vor, dass Dates offengelegt werden müssen. Jeden Kuss überwachen wollen sie hingegen nicht. "Wer will schon eine Firma, in der Leute entweder lügen oder kündigen müssen?"

© SZ vom 10.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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