Verhütung:Diese Verhütungsmethoden für Männer könnten das Kondom ablösen

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Das Hoden-Ventil dreht in Samenleitern den Saft ab. (Foto: Bimek/Baranek & Renger GmbH)

Anti-Spermien-Gel und Hodenventil: Zwei kuriose Erfindungen zur Empfängnisverhütung wollen den Markt aufmischen - ganz ohne Hormone.

Von Felix Hütten

Frauen bietet die Pharmaindustrie eine Vielzahl an Verhütungsmöglichkeiten an - Pille, Spirale, Ring, Zäpfchen, Spritzen. Männern hingegen wenig: Ihnen bleibt das Kondom. Zwar gab es in den vergangen Jahren immer wieder vielversprechende Ansätze für eine "Pille für den Mann" - doch ist daraus nie etwas geworden. 2007 stellte die Pharmafirma Bayer die Entwicklung eines Kombipräparats ein: nicht benutzerfreundlich, zu wenig Interesse, Schluss.

Die Zweifel sind nach wie vor groß, ob sich Männer Hormone in ihre Körper jagen lassen wollen, so wie es Frauen mit der Pille bereits Jahrzehnte lang tun. Wenn Hormone aber unbeliebt sind, so dachten es sich Tüftler zweier Forschungsprojekte, dann muss es eben ohne gehen. Zwei Erfindungen für die männliche Verhütung im Überblick.

Methode 1: Das Anti-Spermiengel

Wissenschaftler der privaten Forschungsstiftung Parsemus haben an Kaninchen erfolgreich ein nicht-hormonelles Verhütungsgel getestet. Der Mechanismus des sogenannten Vasalgels - gedacht für den Mann - ist simpel: Es wird in den Samenleiter injiziert und blockiert dort die aus den Hoden aufsteigenden Spermien. Diese werden anschließend vom Körper resorbiert.

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Im Tierversuch mit zwölf Kaninchen konnten die Wissenschaftler bei elf Proben keine Spermien mehr im Ejakulat nachweisen. "Die Ergebnisse sind besser, als wir es erwartet haben", sagt Donald Waller, Erstautor der Studie. Der Vorteil des Gels: Es kommt ohne Hormone aus und wirkt etwa zwölf Monate. Danach kann es erneut angewendet werden.

Problem mit Narben?

Experten äußern jedoch Zweifel, ob die Methode beim Menschen funktioniert: "Bei der Injektion in den haarfeinen Samenleiter können Vernarbungen auftreten", sagt Frank Tüttelmann von der Deutschen Gesellschaft für Andrologie. Diese Narben wiederum müssten dann in einer Operation beseitigt werden, sonst drohe die Zeugungsunfähigkeit des Mannes.

Vasalgel Infografik Vasalgel (Foto: Parsemus Foundation)

Doch genau das will das Mittel verhindern. Es soll die lang ersehnte Alternative zu einer rabiaten, aber bewährten Methode sein: der Vasektomie. Dabei werden in einem chirurgischen Eingriff die Samenleiter durchtrennt. Zwar können Männer nach der Operation ziemlich sicher keine Kinder mehr zeugen - doch der Eingriff kann nur mit einer erneuten Operation rückgängig gemacht werden. Viele Männer scheuen deshalb diese Entscheidung.

Methode 2: Das Hodenventil

Genau die wollte auch Clemens Bimek nicht treffen. Der gelernte Tischler machte sich Gedanken, wie man die Vorteile der Vasektomie nutzen - und trotzdem weiterhin Kinder zeugen kann. Seine Idee klingt so verrückt, dass Mediziner zweifeln: Meint er das ernst? Bimek entwickelte ein Ventil, das in die Samenleiter eingesetzt wird und nach Bedarf den Nachschub an Spermien einfach stoppt.

Die etwa fingernagelgroßen Schalter kann der Mann im Hodensack ertasten. Drückt er den Kippschalter, sind die Samenleiter dicht. Ähnlich wie beim Vasalgel oder einer Vasektomie enthält das Ejakulat dann keine Spermien mehr, sondern besteht nur noch aus Sekreten der Geschlechtsdrüsen. Menge und Aussehen ändern sich nicht, nur die Konsistenz wird flüssiger. Zumindest in der Theorie. Denn es gibt da ein Problem.

Bislang trägt das Ventil nur ein Proband: der Erfinder Clemens Bimek selbst. Damit sich das bald ändert, sammelt er auf seiner Website Geld, um eine erste klinische Studie zu finanzieren. 900 Männer sollen sich bereits als Testpersonen gemeldet haben - eine große Pharmafirma bislang allerdings nicht. Unter Experten werden der Tischler und sein Hodenventil kritisch beäugt. Denn das Projekt birgt womöglich ein Risiko: Die Gefahr, dass der Samenleiter durch das Abklemmen langfristig Schaden nimmt.

Damit das Bimek-Ventil tatsächlich eines Tages zur Verhütungsmethode für Männer wird, müssen klinische Studien zuvor einige zentrale Fragen beantworten: Wie verhält sich das Implantat im Körper? Kommt es - auch erst nach Jahren - zu Abstoßungsreaktionen, Entzündungen oder Verletzungen? Und: Ist das Ventil wirklich dicht?

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Hinter der Frage steckt das Grundproblem der Männerverhütung: Die unfassbare Menge an Spermien. Während bei Frauen eine Eizelle im Monat reift, produziert ein Mann etwa 1000 Spermien - pro Sekunde. Jedes dieser Spermien kann theoretisch eine Eizelle befruchten, weshalb auch jedes einzelne aufgehalten werden muss. Sinkt die Konzentration auf weniger als eine Million Spermien pro Milliliter, ist eine Schwangerschaft allerdings unwahrscheinlich.

Ein zweites Problem ist das Vertrauen. Denn die Pille ist bei Frauen auch deshalb so beliebt, weil sie damit die Kontrolle über eine Schwangerschaft behalten und sich nicht auf den Mann verlassen müssen. Denn das beste Männer-Verhütungsmittel taugt nichts, wenn es nicht angewendet wird. Schwanger aber wird immer die Frau.

Ob sich Gel oder Ventil daher eines Tages durchsetzen, vermag im Moment niemand zu sagen - auch wenn es weiterhin großen Bedarf gibt: Schätzungsweise 80 Millionen Mal werden Frauen im Jahr weltweit ungewollt schwanger. Eine neue Männer-Verhütungsmethode würde helfen, diese enorme Zahl zumindest zu senken.

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