Transplantations-Skandale:Mediziner warnen vor schädlichem Wettbewerb

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Unnötige Operationen und schlechte Behandlungsqualität: Chirurgen-Präsident Jauch gibt der starken Ökonomisierung der Medizin und falschen finanziellen Anreizen eine Mitschuld für die jüngsten Transplantations-Skandale. Die Medizin müsse weg vom Kommerz - und mehr Verantwortlichkeit lernen.

Von Christina Berndt und Nina von Hardenberg

Angesichts des Transplantationsskandals an der Uniklinik Leipzig haben Ärzte und Politiker vor falschen wirtschaftlichen Anreizen in der Medizin gewarnt. Die starke Ökonomisierung in der Chirurgie führe zu einer Vielzahl unnötiger Operationen und zu einer schlechteren Behandlungsqualität, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Karl-Walter Jauch. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) forderte ein gesetzliches Verbot von Bonusklauseln in Chefarztverträgen, die einen Teil des Gehalts an Operationszahlen binden.

Falsche ökonomische Anreize gelten als ein möglicher Grund, warum Ärzte an den Unikliniken in Leipzig, Göttingen, Regensburg und München rechts der Isar Krankenakten manipuliert haben könnten. Die Mediziner sollen ihre Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie waren, um so schneller eine Spenderleber für sie zu bekommen. Neben dem Wunsch, den Kranken zu helfen, und dem Ehrgeiz, die Transplantationszahlen zu steigern, könnten hier auch wirtschaftliche Vorteile eine Rolle gespielt haben. Der beschuldigte Oberarzt in Göttingen etwa bekam laut Vertrag Bonuszahlungen, wenn er besonders viele Lebern transplantierte. Solche Klauseln müssten verboten werden, sagte Singhammer. "Hier muss auch der Gesetzgeber tätig werden."

Chirurgenpräsident Jauch ging in seiner Kritik noch weiter. Die Medizin müsse weg vom Kommerz kommen und mehr Verantwortlichkeit erlernen, sagte Jauch der SZ. Auch müsse insgesamt weniger operiert werden. "Wir vergeuden hier Ressourcen. Und wir tun vielen Patienten nichts Gutes", sagte Jauch, der auch stellvertretender Ärztlicher Direktor des Münchner Universitätsklinikums Großhadern ist.

Ähnlich wie zuvor der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, forderte auch Jauch, die Zahl der Transplantationszentren zu senken Ein Konzentrationsprozess auf wenige spezialisierte Zentren sei aber auch bei anderen chirurgischen Eingriffen, etwa bei Hüft- und Knieprothesen, nötig, sagte Jauch. "Angebot und Nachfrage nach solchen Leistungen werden bei uns viel zu stark durch Wettbewerb bestimmt. Wir brauchen ein Korrektiv."

In den vergangenen Tagen war Kritik daran laut geworden, dass eine Vielzahl von Kliniken Transplantationen anbieten, darunter auch Häuser, die im Jahr nur wenige Eingriffe vornehmen. Josef Hecken, der dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorsteht, dem wichtigsten Entscheidungsgremium im Gesundheitswesen, kündigte an, er werde sich für eine "deutliche Anhebung der Mindestmengen bei Organtransplantationen" einsetzen.

Unterdessen gab die Stiftung Eurotransplant bekannt, dass die Deutschen im Jahr 2012 erheblich weniger Organe spendeten als im Vorjahr. Eurotransplant vermittelt in sieben Ländern Spenderorgane an Patienten. Der Rückgang betrage mehr als zehn Prozent, sagte der Medizinische Direktor, Axel Rahmel. Die Zahl der Transplantationen in Deutschland sei jedoch nur um vier Prozent gefallen, weil andere Länder mehr Organe zur Verfügung gestellt haben.

© SZ vom 05.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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