Sterben:Komm, guter Tod!

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Die Hand halten, einander in die Augen sehen, tröstende Worte austauschen: Das bedeutet viel für beide Seiten - für diejenigen, die sterben, und auch für diejenigen, die weiterleben. (Foto: picture alliance/dpa)

Während der Pandemie wurde der Infektionsschutz über die Menschlichkeit gestellt. Aber wenn jetzt darüber gesprochen wird, könnte das Sterben am Ende einen besseren Platz im Leben bekommen.

Kommentar von Christina Berndt

Sterben muss am Ende jede und jeder für sich allein. Ob man sich noch einmal aufbäumt, ob man seinen Frieden damit schließt oder ob man einfach nur Angst hat: Beim Sterben beginnt man einen Weg, den man allein zu Ende gehen muss. Aber so einsam wie in der Pandemie waren die Menschen selten dabei.

Zwei Jahre lang konnten sich Sterbende kaum von ihren Liebsten verabschieden, keine Hand halten, keinen Blick schenken, keinen Trost suchen und keine letzten Worte zu jemandem sprechen, für den sie wichtig gewesen wären. Denn Altenheime und Kliniken haben über lange Zeiträume jede Art von Besuch verboten. Und wenn doch welcher erlaubt war, dann oft nur einer Person. Angehörige mussten sich entscheiden: Wer darf gehen? Wer muss?

So wurden tiefe Wunden in die Familien gerissen. Manchem Bruder fehlte am Ende etwas, das seine Schwester haben durfte: noch eine letzte Gelegenheit für einen Kuss, ein Streicheln, ein liebevolles Wort - und einfach nur dabei sein, um das Unbegreifliche des endgültigen Abschieds überhaupt irgendwie begreifen und sich damit versöhnen zu können. Die Lücke bleibt, auch lange nach dem Tod. "Man ist im wahrsten Sinne des Wortes etwas schuldig geblieben", so drückt es die Ethikerin Christiane Woopen aus. Und damit bleiben fast zwangsläufig Schuldgefühle zurück.

Der Aufwand lohnt sich, man stirbt schließlich nur einmal im Leben

So wurde der Infektionsschutz in der Pandemie über die Menschlichkeit gestellt. Natürlich mussten Corona-Infektionen in Kliniken und Heimen noch viel mehr als anderswo vermieden werden. Und doch ist das Ansinnen, einen Sterbenden vor einem todbringenden Virus zu schützen, an Absurdität kaum zu überbieten. Die Ansteckung von anderen Patienten oder Bewohnerinnen aber hätte sich mit einer vernünftigen Planung sehr wohl verhindern lassen - etwa, indem man Besucher begleitet und sicherstellt, dass sie auf ihrem Weg ans Sterbebett keine Viren verbreiten. Ja, es hätte Aufwand bedeutet, aber es hätte sich gelohnt. Man stirbt schließlich nur einmal im Leben. Neben der Geburt gibt es keinen solchen existenziellen Moment.

Wieder einmal hat die Gesellschaft damit gezeigt, wie wenig sie vom Sterben versteht. Am Ende könnte der einsame Tod in der Pandemie deshalb doch noch etwas Gutes haben: Das Sterben könnte besser werden, wenn die Menschen es zum Thema machen. Wenn offen darüber gesprochen wird, wie viel in der Corona-Zeit schiefgelaufen ist. Und um wie viel besser das Ende des Lebens sein könnte - für die, die sterben, und für die, die weiterleben - wenn man ihm den Platz einräumt, der ihm gebührt. Ostern, dieses Fest von Tod und Leben, wäre eine gute Gelegenheit dafür.

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