Rauchen in Afrika:Big Tobacco nimmt Afrika ins Visier

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Die Tabakindustrie setzt perfide Methoden ein, um die letzte Nichtraucherecke der Welt zu erobern: Afrika.

Von Berit Uhlmann

"Werde Dein eigener Chef", versprach British American Tobacco in Kenia. "Think and win", lautete eine Aktion des Konzerns in Uganda. Hinter den Slogans verbargen sich billige Gewinnspiele. Die Teilnehmer mussten Zigaretten der Firma kaufen, um an einer Lotterie teilzunehmen. Die Botschaften aber waren wohl gewählt. Sie nutzten den Hunger der Menschen aus, nach einem Leben jenseits der Felder und Farmen. Die Sehnsucht der Armen ist die Hoffnung der Branche, die ihre Profite im Westen rapide schwinden sieht.

Wer heute einen Kilometer in der Stadt eines Entwicklungslandes zurücklegt, wird 80 Mal häufiger von der Tabakindustrie umworben als in einer Industrienation. Er hat im Durchschnitt fünf Gelegenheiten, Zigaretten zu kaufen. Bei der Mehrheit der Händler kann er auch einzelne Zigaretten erstehen, eine Praxis, die in vielen anderen Ländern verboten ist, aus gutem Grund. "Kinder können sich keine ganze Packung leisten. Also sorgt die Industrie dafür, dass ihr Produkt einzeln verkauft wird", sagt Anna Gilmore. Die Public-Health-Expertin der Universität Bath hat die Daten mit erhoben und zieht das Fazit: "In den Industriestaaten sinken die Erlöse der Tabakkonzerne, damit hängt ihre Zukunft davon ab, junge Menschen in den ärmeren Ländern zu ködern". Gilmore glaubt, dass sich die Zukunft vor allem in einer Region entscheiden wird: in Afrika.

"Die Industrie kann noch Millionen potenzielle Kunden gewinnen"

Die Region südlich der Sahara war lange Zeit die letzte Nichtraucherzone der Welt. Mittlerweile habe die Tabakepidemie auch Afrika erreicht und befinde sich "in ihrem frühesten Stadium", so die Professorin. Genaue Daten zum Zigarettenkonsum sind rar. Doch Epidemiologen, die im vergangenen Jahr die verfügbare Fachliteratur durchsuchten, schätzen, dass in den Sub-Sahara-Staaten etwa 14 Prozent der Männer und zwei Prozent der Frauen rauchen. Noch sind das traumhaft niedrige Raucherquoten. Doch bedeuten sie auch, dass "die Industrie noch Millionen potenzielle Kunden gewinnen kann", sagt Gilmore.

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Reportage von Tobias Zick, Malanda (Malawi)

Dabei greift Big Tobacco tief in die Trickkiste, die sie in ihren goldenen Zeiten gefüllt haben. In Südafrika beispielsweise umgingen die Hersteller von Benson & Hedges sehr erfolgreich das Verbot von Fernsehwerbung. Das Unternehmen erbot sich als Sponsor für Cricket, einen Sport, der für die Werbestrategen allerdings einen Haken hatte. Sie fanden ihn "bisweilen öde", wie der Historiker Robert Proctor in seinem Buch "Golden Holocaust" zitiert. Das Unternehmen verhandelte daher mit dem Cricketverband, um den Sport von seiner Gemächlichkeit zu befreien. Aus dem Tagessport wurde "Night Cricket". Die Mannschaften bekamen bunte Kleidung und mussten sich nun Regeln beugen, mit denen das Spiel zügiger zu Ende ging. Derart aufgepeppt hievte das Unternehmen den Sport in die TV-Primetime - mitsamt des Hinweises auf den Sponsor.

Vielerorts in Afrika ist die Werbung derart unverhohlen, wie man sie im Westen nur noch aus Serien wie "Mad Men" kennt: Jedem fünften Schulkind in Sambia wurden schon einmal Gratis-Zigaretten angeboten. In Mauretanien besitzen 21 Prozent der Schüler Shirts, Stifte oder Schnick-Schnack mit Tabakwerbung. Fast 70 Prozent der Jugendlichen im Niger sehen regelmäßig Printreklame für Zigaretten, und an der Elfenbeinküste ist es fast unmöglich, Plakaten mit glücklichen, rauchenden Menschen zu entkommen. Und in Südafrika, Mauretanien und der Elfenbeinküste rauchen inzwischen mehr als zehn Prozent der 13-bis 15-Jährigen, warnt die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC.

"Ohne Tabak gibt es keine Gesundheit in Malawi."

Den Konzernen kommt zugute, dass der Nichtraucherschutz in vielen afrikanischen Ländern nicht gerade oben auf der Prioritätenliste steht. Grund dafür sind nicht nur mangelnde Kapazitäten einer Region, die mit verheerenden Infektionskrankheiten kämpft. Eine Ursache ist auch, dass der Kontinent als Tabakproduzent immer wichtiger wird. Während die Anbauflächen für die Nicotiana-Pflanzen in den USA und Europa zurückgehen, wuchsen sie in Afrika im vergangenen Jahrzehnt um 66 Prozent.

SZ-Karte; Quelle: Global Youth Tobacco Survey (Foto: SZ-Karte)

Die zunehmende finanzielle Abhängigkeit weiß die Industrie auszunutzen. In Malawi (siehe Text "Sklaven des Systems") beispielsweise pervertierte sie die Frage zu Tabak und Gesundheit zu einer bedrohlichen Formel, so das American Journal of Public Health: "Ohne Tabak gibt es keine Gesundheit mehr in Malawi. Niemand wird mehr Geld haben, um Medizin zu kaufen. Niemand wird mehr Rechnungen bezahlen können oder die kleinen Krankenhäuser unterhalten zu können". Drohungen, die bei der Regierung Malawis verfingen. Sie hat das weltweite Abkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums bis heute nicht ratifiziert.

Damit sieht die Zukunft düster aus. Derzeit sind Männer in den armen Ländern Europas und im West-Pazifik Spitzenreiter im Tabakkonsum. Schon 2025 könnten afrikanische Männer sie eingeholt haben, prognostizierten Wissenschaftler vergangenes Jahr im Fachblatt Lancet. Krebs und andere mit dem Rauchen einhergehende Krankheiten dürften deutlich zunehmen. Das ist umso problematischer, da vor allem die ärmeren Staaten dafür nicht gerüstet sind. Derzeit haben nur 20 Prozent der Entwicklungsländer ausreichende Kapazitäten zur Bestrahlung von Krebspatienten, Zugang zur für Chemotherapien gibt es in 40 Prozent der Staaten, bilanziert die Internationale Krebsforschungsagentur.

"Es wäre ironisch, wenn wir HIV besiegen, nur um zu sehen, das die Geretteten an den Übeln des Tabak sterben", warnte die WHO. Das war vor 15 Jahren. Seither ist ihr Szenario noch realistischer geworden.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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