Nahrungsergänzungsmittel in der Schwangerschaft:Welche Vitamintabletten Schwangere brauchen

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Die meisten Vitamintabletten können sich Schwangere getrost sparen. Frisches Obst und Gemüse decken den täglichen Bedarf besser. (Foto: dpa)

Die Pharmaindustrie wirft Unmengen von Vitaminen und Ergänzungsmitteln auf den Markt. Schwangere gehören zu ihren besten Kunden. Dabei ist das, was in ihren Einkaufskörben landet, häufig unnütz oder sogar schädlich. Ein Überblick über notwendige und überflüssige Nahrungsergänzungsmittel für werdende Mütter.

Berit Uhlmann

1,12 Milliarden Euro Umsatz bescherten die Deutschen den Herstellern von Nahrungsergänzungsmitteln im Jahr 2016. In manchen Apotheken, Drogerien und Supermärkten füllen die Supplemente ganze Regale: Dutzende Dragees in verschiedenen Dosierungen und bunten Kombinationen reklamieren für sich, der Gesundheit zu dienen. 28 Prozent der Deutschen nehmen mindestens ein Ergänzungsmittel ein, bei Schwangeren sind es 97 Prozent, wie eine Erhebung der TU München unter mehr als 500 jungen Müttern in der Umgebung der bayerischen Landeshauptstadt ergab.

Grund zur Freude ist dies für Experten nicht, denn im Wirrwarr der Angebote greifen Frauen nicht selten daneben: "Leider nehmen fast alle schwangeren Frauen mehr oder weniger wahllos Supplemente ein", sagt Hans Hauner, Leiter des Lehrstuhls für Ernährungsmedizin der TU München.

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Heute wird keiner werdenden Mutter mehr geraten, möglichst kräftig zuzulangen. Es gibt aber einige Lebensmittel, die in der Schwangerschaft empfehlenswert, und andere, die riskant sind.

Verdenken kann man es ihnen nicht, denn die Anbieter werben hemmungslos, und selbst Experten sind sich nicht immer einig, was das Beste für Mutter und Kind ist. Selbst bei weit verbreiteten Ergänzungsmitteln ist die Datenlage mitunter unklar oder widersprüchlich. Das Problem, so Gerhard Rechkemmer, Präsident des Max Rubner-Instituts für Ernährung und Lebensmittel: Aus ethischen Gründen kann man Schwangeren weder wichtige Supplemente vorenthalten, noch die Frauen hohen Dosen mit unklaren Nebenwirkungen aussetzen. Daten werden daher meist rückwirkend, zum Teil in Entwicklungsländern, erhoben - ein Vorgehen, das fehleranfällig ist.

Sicher ist nur, dass längst nicht alles notwendig ist, was die Regalmeter oder Internet-Shops füllt. Die Süddeutsche Zeitung hat drei Experten um ihre Einschätzung gebeten. Hier ein Überblick über die Empfehlungen.

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Einigkeit herrscht darüber, dass Folsäure in der Frühschwangerschaft unverzichtbar ist. Fehlt das Medikament, kann es zum so genannten Neuralrohrdefekt des Kindes kommen. Er geht mit sehr schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder dem Tod des Kindes einher.

Die Crux: Folsäure wird schon in der dritten bis vierten Woche nach der Befruchtung benötigt. Zu diesem Zeitpunkt wissen manche Frauen aber noch gar nicht, dass sie schwanger sind, geschweige denn, welche Ergänzungsmittel sie brauchen. Daher wird Frauen mit Kinderwunsch empfohlen, schon vor Eintritt einer Schwangerschaft täglich 400 Mikrogramm Folsäure einzunehmen.

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Dass dieser Empfehlung nicht ausreichend gefolgt wird, zeigte die Münchner Untersuchung: Nur 34 Prozent der jungen Mütter hatten vor ihrer Schwangerschaft Folsäure genommen. Während der Schwangerschaft stieg der Anteil auf 85 Prozent, eine Rate, die immer noch nicht ausreicht.

Einige Länder vertrauen daher gar nicht erst auf Appelle an junge Frauen, sondern bringen Folsäure pauschal unters Volk, indem sie Grundnahrungsmittel wie Mehl mit dem Vitamin versetzen. So weit gehen deutsche Experten nicht, denn noch ist nicht wirklich sicher, welche Nebenwirkungen hohe Folsäure-Dosen haben können.

"Die Datenlage ist unzureichend und widersprüchlich", sagt Gerhard Rechkemmer vom Max Rubner-Institut. Dennoch bewertet er den Nutzen auch in der späteren Schwangerschaft für größer als die Risiken: "Auch in den späteren Phasen ist Folsäure für die Entwicklung des Kindes wichtig", sagt der Experte. Insbesondere für die Differenzierung der verschiedenen Gewebe habe sie eine Bedeutung.

Viele Experten empfehlen Frauen darüber hinaus die Einnahme von Jod. Der Bedarf steigt in der Schwangerschaft um etwa 20 Prozent, erläutert Hauner. Jodmangel erhöht das Risiko für Fehlgeburten und Fehlbildungen beim Nachwuchs. Schwangere sollten daher etwa 100 Mikrogramm Jod pro Tag einnehmen, empfiehlt auch Rechkemmer und ergänzt: "Schwerwiegende Risiken oder Nebenwirkungen sind bei dieser Dosierung nicht bekannt".

Mit Folsäure und Jod enden die pauschalen Empfehlungen schon. Alle anderen Supplemente sind im Normalfall überflüssig oder ihr Nutzen ist nur unzureichend bewiesen.

Fischöl: Dem Supplement werden viele Vorzüge für Mutter und Kind nachgesagt. Inwieweit sie zutreffen, ist nicht ganz klar. Berthold Koletzko, Mediziner am Haunerschen Kinderspital der LMU München, verweist auf Studien, wonach die Zufuhr von Fischöl das Risiko von Frühgeburten vor der 34. Schwangerschaftswoche senkt. Mehrere Untersuchungen zeigten zudem eine verminderte Gefahr für die Ausbildung von Allergien beim Nachwuchs und eine Verbesserung der kindlichen Entwicklung, insbesondere der Hirn- und Sehfunktionen.

Hauner allerdings bewertet längst nicht alle der erwarteten Vorzüge als zweifelsfrei nachgewiesen und hält eine generelle Empfehlung für die Kapseln daher für nicht gerechtfertigt. Er empfiehlt werdenden Müttern lediglich, etwa zweimal pro Woche Fisch zu essen. Nur wer absolut keinen Fisch mag, könne Fischöl-Kapseln in einer niedrigen Dosierung einnehmen. Auch Rechkemmer spricht sich für zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche aus.

Strittig ist auch Vitamin D: Für "unbedingt wünschenswert" hält Koletzko eine verbesserte Vitamin D-Zufuhr: "Die allermeisten schwangeren Frauen in Deutschland sind schlecht mit dem Vitamin versorgt." Neuere Studien wiesen auf einen Zusammenhang der Vitamin-D-Versorgung in der Schwangerschaft mit der kindlichen Knochengesundheit im Schulalter hin.

Rechkemmer hält eine Vitamin-D-Zufuhr bei Schwangerschaften in den Wintermonaten für sinnvoll, denn es wird unter dem Einfluss von Sonnenlicht gebildet, dem sich Menschen im Winter oft nicht genügend aussetzen. Hauner hält die Vitamin-D-Einnahme im Normalfall dagegen für nicht notwendig.

Bei allen anderen Supplementen ist der Rat einfacher: Gesunde Frauen können getrost die Finger davon lassen.

Eisen: Etwa zehn bis 20 Prozent der Schwangeren leiden an einer Eisenmangelanämie, die die Blutbildung einschränken kann. Diese Frauen sollten ein Eisenpräparat einnehmen. Die Münchner Studie zeigte aber, dass 65 Prozent der werdenden Mütter Eisenpräparate schlucken, einige von ihnen in sehr hohen Dosen. Diesen unkritischen Umgang sieht Hauner mit Sorge, denn über die Auswirkungen solch großer Mengen ist in der Schwangerschaft wenig bekannt. Auch Rechkemmer empfiehlt, beim Arzt den Eisenstatus ermitteln zu lassen, ehe Frauen in Selbstmedikation zu Eisentabletten greifen.

Überflüssig ist im Normalfall auch Magnesium. Dass dennoch 76 Prozent der Schwangeren zu dem Ergänzungsmittel greifen, kann als Erfolg der Werbung verbucht werden. Denn kaum jemand in Deutschland hat tatsächlich einen Mangel an diesem Ergänzungsmittel, auch Schwangere nicht. Eine Ausnahme allerdings nennt Rechkemmer: Studien belegen, dass Patientinnen, bei denen der Arzt ein Risiko für die so genannte Schwangerschaftsvergiftung feststellt, durch Magnesium geschützt werden könnten.

Andere Vitamine sind bestenfalls überflüssig, schlimmstenfalls schädlich. "Für viele wasserlösliche Vitamine wie Vitamin B6 ist die Versorgungssituation insgesamt sehr gut", sagt Koletzko. Eine zusätzliche Zufuhr lasse hier keinen Nutzen erwarten; allerdings habe sie auch keine Nachteile.

Gefährlich ist dagegen Vitamin A in hohen Dosen: Es kann zu Fehlbildungen des Kindes führen. Bei den in Apotheken und Drogerien angebotenen Ergänzungsmitteln werden solch hohe Dosierungen nicht erreicht. Doch das Max Rubner-Institut beobachtet zunehmend, dass im Internet Präparate mit bedenklich hohen Dosen angeboten werden. Dessen Präsident Rechkemmer warnt ausdrücklich davor, solche Präparate unklarer Herkunft einzunehmen.

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