Schwangerschaftsvergiftung:Warnung vor dem Anfall

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Die Schwangerschaftsvergiftung ist eine der gefährlichsten Krankheiten für Mutter und Kind. Neue Tests erkennen sie frühzeitig.

Evelyn Hauenstein

Im Volksmund wird sie Schwangerschaftsvergiftung genannt. Im Extremfall gipfelt sie in einem Krampfanfall, der tödlich für Mutter und Kind enden kann. Die Präeklampsie (griechisch "vor dem Krampf") ist eine der gefährlichsten Erkrankungen in der Schwangerschaft. Sechs von 100 werdenden Müttern leiden unterschiedlich stark darunter, häufig schon vom sechsten oder siebten Monat an.

Wenn Frauenärzte eine Schwangerschaftsvergiftung bereits vor ihrem Ausbruch erkennen, können Risiko-Patientinnen die passende Klinik wählen. (Foto: Foto: iStock)

Erste Anzeichen sind häufig Kopfschmerzen, die Schwangere fühlt sich unwohl, klagt über Wassereinlagerungen. Der Blutdruck steigt, die Nieren versagen, dann die Leber. Wird nichts getan, kommt es zu dem gefürchteten Krampf, der einem epileptischen Anfall täuschend ähnlich ist.

Bisher hatten Frauenärzte keine Möglichkeit, die Krankheit vor ihrem Ausbruch zu erkennen. In den vergangenen Jahren haben Forscher jedoch Moleküle identifiziert, die von der Plazenta gebildet werden. Sie sind im Blut von Schwangeren mit Präeklampsie in höherer Konzentration zu finden als in dem gesunder Mütter.

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Anfang Juni haben die Pharmafirmen Roche und Perkin Elmer Labortests auf den Markt gebracht, mit denen Risikoschwangere nun lange vor den ersten Anzeichen der Erkrankung erkannt werden können. Schon innerhalb der ersten 14 Wochen sollen Ärzte und Patientinnen Aufschluss darüber erhalten, ob eine Präeklampsie und damit eine Frühgeburt droht.

Bis heute kann die Schwangerschaftsvergiftung nur durch die Entbindung geheilt werden. Nach der Geburt verbessert sich der Zustand der Mutter in der Regel schnell. Als ältere Frau hat sie jedoch ein sehr hohes Risiko, erneut Bluthochdruck zu entwickeln.

Kinder, die Wochen bis Monate zu früh auf die Welt kommen, kämpfen oft mit Hirnblutungen, Atemnotsyndrom, Nierenversagen oder Augenschäden und bleiben möglicherweise ihr Leben lang in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.

Zielgruppe der Tests sind laut Roche "alle Frauen und deren Kinder" - also nicht nur Frauen, die von vornherein gefährdet sind, eine Präeklampsie zu entwickeln, wie etwa diejenigen, die schon vor der Schwangerschaft wegen Bluthochdrucks behandelt werden mussten.

"Zukünftig könnte sich ein Screening ähnlich wie die Nackenfaltenmessung für das Downsyndrom etablieren", hofft Perkin Elmer und verspricht in der Werbebroschüre "bessere Ergebnisse in Bezug auf die Schwere der Erkrankung und die Genesung der Erkrankten".

Auch Thorsten Fischer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Schwangerschaftshochdruck der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie, erhofft sich viel von den Neuentwicklungen, gleichzeitig warnt er aber: "Ein positiver Test sagt nichts darüber aus, wann die Krankheit ausbricht, wie schwer sie verlaufen wird und ob Mutter und Kind unter Spätfolgen zu leiden haben."

Auch bei normalen Vorsorgeterminen in der Frauenarztpraxis werden Blutdruck und Eiweiß im Urin gemessen. "Anhand dieser einfachen und billigen Untersuchungen lässt sich eine Präeklampsie bei den meisten Patientinnen rechtzeitig erkennen", sagt Fischer.

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Bei Schwangeren, die in der 14. Woche erfahren, dass sie ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Präeklampsie tragen, könnten enorme Ängste entstehen. "Diese Frauen müssen die ganze Schwangerschaft lang darauf warten, dass sie krank werden", sagt Fischer. Das sei belastend, so der Gynäkologe vom Klinikum Landshut-Achdorf.

Machen sich die Tests also selbst überflüssig, wenn sie eine Krankheit zwar erkennen, aber weder ihr Auftreten noch ihre Folgen beeinflussen können? "Nein", sagt Holger Stepan, Leiter der Geburtshilfe an der Universitätsklinik Leipzig. "Stellt man bei einer Schwangeren ein sehr hohes Risiko fest, sollte sie möglichst bald in einem Perinatalzentrum betreut werden."

Allein die Wahl der richtigen Entbindungsklinik könnte die Erkrankungsrate bei Neugeborenen um ein Fünftel senken. Auch Thorsten Fischer hält es für wichtig, dass bei Bluthochdruckerkrankungen rasch eine große Klinik aufgesucht wird, die auf Risikoschwangerschaften und Frühgeburten spezialisiert ist.

In kleineren Kliniken wird eine Schwangere mit typischen Anzeichen einer Präeklampsie meist rasch entbunden. In großen Zentren versucht man hingegen eine Verlängerung der Schwangerschaft mit blutdrucksenkenden Medikamenten und intensiver Überwachung.

Gerade im zweiten Schwangerschaftsdrittel zählt jeder Tag, den das Ungeborene im Mutterleib bleiben kann. "Die Frühgeburtlichkeit nimmt in Deutschland zu, und ein erheblicher Teil dieser Frühgeburten entsteht durch ärztliche Entscheidungen", warnt Fischer.

Ob die neuen Tests die zunehmende Zahl der Frühgeburten wirklich senken können oder erst recht Panik bei Schwangeren und Ärzten entstehen lassen, bleibt abzuwarten. Holger Stepan sieht allein in der Entdeckung der Substanzen, auf die getestet wird, enormes Potential für die praktische Geburtshilfe.

Erst seit einigen Jahren beginnen Wissenschaftler zu verstehen, wie Bluthochdruckerkrankungen in der Schwangerschaft entstehen. Wahrscheinlich gräbt sich der Embryo in den allerersten Tagen der Schwangerschaft nicht richtig in die Muskelschicht der Gebärmutter ein - mit dem Ergebnis, dass der Mutterkuchen von vorneherein nicht so leistungsfähig ist wie bei gesunden Schwangeren.

Um dieses Defizit auszugleichen, gibt die Plazenta Moleküle in den Kreislauf der Mutter ab, die ihren Blutdruck erhöhen und so die Blutzufuhr für das Ungeborene steigern. "Wir hoffen, anhand dieser Moleküle nicht nur Screeningtests, sondern auch Medikamente zu entwickeln", sagt Stepan.

Diese Arzneien könnten eine Präeklampsie bei Risikoschwangeren verhindern und nicht nur Symptome mildern, wie man es mit Blutdrucksenkern versucht. "Bis wir so weit sind, können allerdings noch Jahre vergehen."

© SZ vom 15.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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