Medizin:Nebenbei das Krebsrisiko senken

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Einen schweren Einkauf nach Hause zu tragen, ist mühsam, aber immerhin gut für die Gesundheit. (Foto: Michael Gstettenbauer/Imago)

Auch scheinbar geringfügige Alltagstätigkeiten sind gesund - wenn man dabei nur ordentlich außer Puste gerät. Dann können sie sogar vor Tumoren schützen.

Von Werner Bartens

Auch ein noch so gesunder Lebensstil bietet keinen garantierten Schutz vor Krebs. Allerdings gibt es durchaus Gewohnheiten, die das Risiko für eine Tumorerkrankung senken können. Auf sogenannte Genussgifte zu verzichten, das heißt: nicht zu rauchen und den Alkoholkonsum zu begrenzen, gehört genauso dazu wie schädliche Substanzen in der Nahrung und der Atemluft zu vermeiden. Regelmäßige Bewegung gilt ebenfalls als hilfreiche Strategie, um die Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung zu verringern. Und es muss nicht viel sein: Ein internationales Forscherteam zeigt jetzt, dass auch kleine, aber intensive Anstrengungen im Alltag erheblich dazu beitragen können, das Tumorrisiko gering zu halten.

Im Fachmagazin JAMA Oncology weisen Wissenschaftler der University of Sydney nach, dass bestimmte Krebsarten seltener auftreten, wenn nur ein paar Minuten intensiver körperlicher Anstrengung in den Tagesablauf integriert werden. Auch bei Menschen, die ansonsten nicht regelmäßig Sport treiben, lässt sich diese günstige Wirkung auf das Krebsrisiko belegen. Demnach reichen schon vier bis fünf Minuten täglich, um die Tumorgefahr um bis zu 32 Prozent zu senken. Dabei geht es ausdrücklich nicht um ein ausgefeiltes Fitnessprogramm, sondern um Alltagsanstrengungen von heftiger Intensität wie das Tragen schwerer Einkaufstüten, fordernde Hausarbeit oder wilde Spiele mit den Kindern - also alles, was kurzfristig viel Energie erfordert und den Organismus einmal richtig in Wallung bringt. Fachleute nennen das "Vigorous Intermittent Lifestyle Physical Activity", kurz VILPA.

"VILPA ist ein bisschen so, als ob man die Prinzipien des Hochintensitätstrainings in seinen Alltag einbaut", wird Studienleiter Emmanuel Stamatakis in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. "Wir wissen, dass die Mehrheit der mittelalten Erwachsenen nicht regelmäßig Sport treibt und deshalb ein etwas erhöhtes Tumorrisiko aufweist." Von bestimmten Krebsarten wie Tumoren der Lunge, der Brust, des Enddarms oder der Gebärmutter ist bekannt, dass sie bei Bewegungsmangel etwas häufiger auftreten und Sport protektiv wirkt.

Wenn man sich mehrmals am Tag weniger als eine Minute anstrengt, hat das schon einen Effekt

Für die aktuelle Studie wurden die Daten von mehr als 22 300 Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 62 Jahren analysiert, deren Bewegungsmuster und -intensität mithilfe von Wearables am Handgelenk verfolgt werden konnten. Bei den Probanden handelte es sich um Menschen, die nicht regelmäßig Sport trieben. Ihr allgemeines Krebsrisiko ließ sich durch die intensiven Alltagsaktivitäten um 18 Prozent senken. Bei Tumorarten, von denen bekannt ist, dass sie bei Menschen seltener vorkommen, die regelmäßig ihre Ausdauer trainieren, konnte das Krebsrisiko durch die kurze, aber heftige Anstrengung im Alltag sogar um bis zu 32 Prozent vermindert werden.

Liegt der Schlüssel für ein gesünderes und längeres Leben also im Glück schwerer Einkaufstüten oder der Hingabe, mit der die Fußböden gewienert werden? Offenbar geht es um den Zusatznutzen für den Organismus, der bereits zu verzeichnen ist, wenn die Menschen mindestens einmal täglich außer Puste geraten - und sei es bei als nebensächlich empfundenen Tätigkeiten wie dem Einkauf oder der Haushaltsführung. Sportmediziner betonen immer wieder, dass der gesundheitliche Vorteil für die Allgemeinheit am größten ist, wenn sich langjährige Coach Potatoes zu ein paar Minuten täglicher Aktivität aufraffen und beispielsweise zügig um den Block gehen. Weniger bringt es, wenn Hobbyläufer ihre 30-Minuten-Runde dreimal pro Woche auf dreimal 45 Minuten steigern.

In der aktuellen Studie traten nach einem Beobachtungszeitraum von durchschnittlich knapp sieben Jahren 2356 neue Krebsfälle auf - fast die Hälfte davon entfiel auf Tumore, die bei regelmäßiger Bewegung nicht so oft vorkommen. Diese Krebsarten waren um etwa ein Drittel seltener bei jenen Probanden, die sich im Alltag immer wieder heftig anstrengten, wobei diese Einheiten zumeist weniger als eine Minute dauerten. "Es ist schon bemerkenswert, dass eine vermehrte körperliche Intensität von nur vier bis fünf Minuten täglich in mehreren kleinen Einheiten das Krebsrisiko so stark senken kann", so Stamatakis. "Durch die Verbreitung von Aktivitäts-Trackern konnten wir erkennen, wie viel solche kurzen Anstrengungen ausmachen."

Es handelt sich bei der Untersuchung um eine Beobachtungsstudie, mit der kein kausaler Zusammenhang belegt werden kann. Die Forscher vermuten aber, dass durch die Aktivierung des Herzkreislaufsystems und des Stoffwechsels während der kurzen Anstrengung die Insulin-Sensitivität verbessert wird und gleichzeitig antientzündliche Prozesse angeregt werden. Beides trägt dazu bei, das Krebsrisiko zu verringern.

Sportmediziner hatten in jüngster Zeit von Hochintensitätstrainings wie dem Vier-Minuten- oder dem Eine-Minute-Workout berichtet, die ähnlich günstig für die Herzkreislaufgesundheit seien wie Ausdauertraining mit geringerer Intensität. "Für Menschen, die Sport zu schwierig oder unattraktiv finden, könnten Alltagsanstrengungen wie VILPA eine gute Alternative sein", so Stamatakis.

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