Masern in Bayern:Fatale Impfskepsis

In München warnen die Behörden vor einer Masernepidemie. Kein Wunder: In Bayern erhalten deutlich weniger Kinder den vollen Impfschutz als in vielen anderen Bundesländern. Ihre Eltern wissen nicht, wie schwerwiegend die Infektionskrankheit mitunter verläuft - und was die Langzeitfolgen sein können.

Von Katrin Blawat

Noch im vergangenen Jahr sah es gar nicht so übel aus. Sogar eine leise Hoffnung ließ sich mit viel gutem Willen aus den Zahlen ableiten: Bundesweit hatte es relativ wenige Masernfälle gegeben, 166 insgesamt. Das klang ermutigend, schließlich waren es ein Jahr zuvor noch knapp zehnmal so viele gewesen. Sogar Bayern - traditionell ein Problemland, wenn es um die Bekämpfung dieser Krankheit geht - meldete mit 69 Fällen deutlich weniger als in den beiden Jahren zuvor.

Zumindest kurzfristig ließ diese Entwicklung ein großes Ziel greifbarer wirken: Bis 2015 sollen die Masern in Europa ausgerottet sein, so peilt es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an. Ursprünglich sollte das sogar schon im Jahr 2010 erreicht worden sein, was sich jedoch schnell als unhaltbar herausstellte. Auch derzeit deutet wenig darauf hin, dass sich die Masern bis 2015 eliminieren ließen. Im Gegenteil: Aktuell warnt zum Beispiel das Münchner Referat für Gesundheit und Umwelt vor einer möglichen Epidemie. 47 Fälle wurden hier seit Mitte April registriert.

Und bundesweit haben sich bereits in den ersten Monaten dieses Jahres fast genauso viele Menschen, nämlich etwa 150, mit dem Masern-Virus angesteckt wie im gesamten vergangenen Jahr. "Wir hoffen, dieses Jahr nicht mehr als 500 Fälle zu bekommen", sagt Dorothea Matysiac-Klose vom Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin.

Dabei wäre es rein aus medizinischer Sicht ebenso einfach wie notwendig, die Masern auszurotten. Das wichtigste Werkzeug dafür gibt es seit nunmehr einem halben Jahrhundert: eine Impfung gegen die Viren. Die verbreiten sich zwar extrem leicht, wenn die Patienten sie zum Beispiel heraus husten. Doch sind genügend Menschen geimpft, werden die Erreger sozusagen heimatlos, sie können niemanden mehr infizieren - und sterben schließlich aus. Um dies zu erreichen, müssten mindestens 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein. Das klingt utopisch? In den meisten Ländern Europas vielleicht. Der amerikanische Kontinent aber hat es nahezu geschafft, und auch Finnland gilt als Masern-frei.

Was aber ist in Deutschland los - und dort besonders im Süden, in Bayern? Traditionell sind Masern dort ein größeres Problem als etwa in Ostdeutschland. In Bayern erhalten deutlich weniger Kinder den vollständigen Impfschutz als in vielen anderen Bundesländern. "Möglicherweise liegt es daran, dass wir das Privileg haben, ein relativ wohlhabendes Bundesland zu sein", sagt Rüdiger von Kries vom Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Uni München. "Hier haben viele Menschen Zeit und Interesse, sich mit den Argumenten der Impfgegner zu beschäftigen."

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