Öffentliche Gesundheit:Deutschland ist Schlusslicht bei der Tabak-Kontrolle

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Auch im Jahr 2020 ist in Deutschland noch Außenwerbung für Tabak erlaubt. (Foto: dpa)

Kein anderer Staat in der EU unternimmt so wenig gegen das Rauchen. Der Einfluss der Tabaklobby ist zu mächtig.

Kommentar von Christoph von Eichhorn

Dieses Jahr feiert Deutschland ein unschönes Jubiläum: Vor genau zehn Jahren wollte die Bundesrepublik alle Formen von Tabakwerbung verboten haben - dazu hatte sich die Regierung wiederum vor 16 Jahren international verpflichtet. Passiert ist bis heute nichts, an praktisch jeder Bushaltestelle darf weiter der krebserregende Qualm angepriesen werden.

Der Stillstand hat dazu geführt, dass Deutschland in der aktuellen Tabakkontrollskala auf den letzten Platz abgerutscht ist, Nummer 36 in Europa. Kein anderer Staat der EU erlaubt noch Außenwerbung für Zigaretten, kein anderer unternimmt so wenig gegen das Rauchen. Selbst das bisherige Schlusslicht Österreich ist dank eines strengen Rauchverbots in der Gastronomie an Deutschland vorbeigezogen.

Der Staat verdient Milliarden am Rauchen - und zeigt wenig Interesse, dies zu ändern

Nun peilt die Koalition ein Außenwerbeverbot für Tabak ab dem Jahr 2022 an, die Union hat ihren Widerstand größtenteils aufgegeben. Das ist zwar einerseits erfreulich; doch es wäre ein Irrtum zu glauben, dass damit die Probleme im Umgang mit dem Rauchen gelöst wären.

Die Tabakindustrie weicht zum einen längst auf andere Formen der Werbung aus, mittlerweile machen Promotion-Aktionen auf Veranstaltungen den Löwenanteil ihres Werbeetats aus. Dazu zählen riesige Stände auf Musikfestivals, die vor allem junge Leute anziehen. Bisherige Gesetzesentwürfe wollen diese Form der Einflussnahme weiter zulassen. Auch die Politik wird von der Tabaklobby nach Kräften gesponsert, zuletzt die Parteitage von CDU und SPD. Nicht nur die Schatzmeister der Parteien befinden sich hier in einem Interessenkonflikt, sondern der Staat selbst, der in Form der Tabaksteuer jährlich 14 Milliarden Euro am Rauchen verdient - rund 170 Euro pro Bürger. Präventionskampagnen und Hilfen zum Ausstieg aus der Sucht sind dem Staat dagegen rund vier Cent pro Einwohner wert.

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Wie es richtig geht, zeigen die Briten, die neben umfassenden Werbeverboten längst Einheitsverpackungen für Tabakprodukte eingeführt und den Nichtraucherschutz verschärft haben. In Kombination mit Angeboten für Raucher zum Ausstieg hat Großbritannien dadurch die Raucherquote auf einen der niedrigsten Werte in Europa gedrückt.

Zwar geht auch in Deutschland die Zahl der Raucher im Durchschnitt zurück, allerdings nicht überall. Unter Beschäftigten im Niedriglohnsektor ist der Raucheranteil praktisch unverändert hoch. Sie zahlen mit ihrer Gesundheit. Laut Robert-Koch-Institut sterben 27 Prozent der Männer aus der niedrigsten Einkommensgruppe bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres, doppelt so viele wie unter Gutverdienern. Offenbar haben diese Menschen keine so gute politische Lobby wie die Tabakindustrie.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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