Kaum eine Illusion ist größer als jene, dass Kontrollen absolute Sicherheit garantieren. Das zeigt auch der seit Monaten schwelende Streit um eine Reform der Lebensmittelüberwachung, die vorgeschriebene Kontrollen in Betrieben neu kategorisieren will, die Zeitabstände zwischen ihnen sollen sich ändern. Während Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner behauptet, Nahrungsprodukte durch die Reform sicherer zu machen, beklagen Verbraucherschützer das Gegenteil. "Eine deutliche Schwächung der Lebensmittelsicherheit" sei zu befürchten, hieß es am Freitag auf einer Pressekonferenz von Foodwatch , den Verbänden der Lebensmittelkontrolleure und verbeamteten Tierärzte.
Wer hat recht? Die Pressekonferenz zeigte zum einen, dass weniger die Zahl der Kontrollen die Kontrolleure und Tierärzte umtreibt, als ihre seit Jahren eskalierende Not in Ausbildung, Finanzierung und Ausstattung. Zudem wird die Reform der Lebensmittelüberwachung sicher nicht, wie Klöckner sagt zu mehr Kontrollen führen. Gerade dort, wo die Risiken besonders hoch sind, reißt die neue Regelung Löcher ins Netz der Plankontrollen.
In der Lebensmitte-Branche ist zu viel erlaubt, solange nur saubere Wurst herauskommt
Die Frage ist, wie schlimm das letztlich ist. Der Skandal um den Fleisch- und Wurst-Hersteller Wilke lässt zweifeln, dass die bisherigen Lebensmittelkontrollen wirksam und gut wären. Trotz der Kontrollen führte eine eigentlich unübersehbare Verwahrlosung des Wilke-Betriebs zur Kontamination von Produkten und schließlich zu Dutzenden Erkrankungen und mehreren Todesfällen. Die Befunde aus den Kontrollen wurden schlicht nicht weitergegeben.
Mit anderen Worten: Der Status Quo ist gerade bei den Lebensmitteln schon so unsagbar schlecht, dass das praktisch schon beschlossene Reförmchen der Lebensmittelkontrollen in Deutschland wohl kaum eine Welle von Entgleisungen einleiten wird. Es gibt diese Entgleisungen längst, sowohl bei bei der Hygiene und gesundheitlichen Sicherheit von Billigwurst oder Milch, als auch in anderen anderen Bereichen, man denke nur an die Corona-Ausbrüche in den Schlachtfabriken von Tönnies.
Und ist es nicht letztlich so, dass das Gewese um Hygiene und Sauberkeit von größeren Problemen ablenkt? Allein die Massenherstellung von Milch und Fleisch erzeugt vom unmenschlich behandelten Arbeiter bis hin zum industriell gequälten Tier derartig viel Leid, dass unschwer zu erkennen sein sollte, wo die Probleme liegen, nämlich tiefer, an der Wurzel - dort, wo viel zu viel erlaubt und rechtens ist, so lange nur saubere Cervelatwurst und mikrobiologisch einwandfreier Joghurt dabei herauskommen. Kontrollen innerhalb dieses für Betrug anfälligen Systems sind deshalb zwar nicht falsch. Sicherheit aber schaffen sie nicht. Das kann nur eine grundlegende Reform der Tierhaltung und Lebensmittelherstellung.