Wer Krebs hat oder einen krebskranken Angehörigen, der kennt das. Kaum ist die Diagnose gestellt und der erste Therapiezyklus vorbei, werden von wohlmeinenden Freunden Bücher an die Patienten verschenkt. In diesen Ratgebern ist der Kampf gegen den Krebs ganz einfach: Himbeeren räumen mit Tumorzellen auf, Brokkoli verhindert Wucherungen und Grüner Tee Metastasen. Ingwer, Soja und Curry erledigen den Rest.
Wer Pech hat, dem unterstellen seine Nächsten gar, er habe es seiner Ernährung zu verdanken, dass der Krebs ausgebrochen ist - der Kranke als Opfer seines Handelns.
Und die Forschung? Auf den ersten Blick sind sich fast alle Wissenschaftler irgendwie einig. Sie können beeindruckend viele Zahlen und Tabellen auffahren. Hier eine Statistik, da noch eine Extrapolation. Wäre ja auch blöd, wenn man jahrelang ein Thema erforscht und einen Zusammenhang vermutet und dann nicht viel dabei herauskommt. Bis Rudolf Kaaks dann den Satz sagt, der das Problem auf den Punkt bringt: "Es ist keine exakte Wissenschaft, die wir hier betreiben."
Der gebürtige Holländer beschäftigt sich seit mehr als 25 Jahren mit dem Zusammenhang von Ernährung und Krebs und ist Studienleiter der weltweit größten Untersuchung in diesem Bereich. Im Rahmen der EPIC-Studie wurden europaweit mehr als 500.000 Menschen und ihre Ernährungsgewohnheiten unter die Lupe genommen, um herauszufinden, ob das, was die Leute essen, auch damit zu tun hat, ob sie krank werden. Allein aus Deutschland haben mehr als 53.000 Teilnehmer an der Studie teilgenommen.
Widersprüche in der Forschung
Man tritt Kaaks wohl nicht zu nahe, wenn man ein paar Widersprüche in seiner Argumentation beschreibt. Der Mann weiß um die Schwächen vieler Untersuchungen zu Ernährung und Krebs und sagt dann Sätze wie: "Man könnte auch die Zahl der Autos in einem Land mit der Krebsrate korrelieren und würde vermutlich einen Zusammenhang herstellen können - aber was beweist das schon?"
Kurz darauf zeigt er dann Hochrechnungen und Erhebungen, die belegen sollen, dass zumindest die - relativ seltenen - Tumore der Gebärmutterschleimhaut, der Speiseröhre und der Bauchspeicheldrüse häufiger bei Menschen vorkommen, die stark übergewichtig sind. Auch Brustkrebs nach den Wechseljahren sei bei Frauen mit erheblicher Fettleibigkeit häufiger. "Ich glaube schon, dass man hier von einem Zusammenhang reden kann", sagt Kaaks.