Es gibt diese großartigen Eltern, die ebenso mitfühlend wie fürsorglich sind und immer das richtige Maß an Zuwendung finden. Sie spüren intuitiv, was ihren Kindern guttut. Doch leider existieren auch jene Eltern, die ihren Nachwuchs wie Fremde behandeln, gefühlskalt und abweisend. Halten sie ihr eigenes Baby auf dem Arm, sieht es so aus, als wüssten sie nicht, was sie damit anstellen sollen. Jenseits aller Temperamente und Charakterausschläge fragen sich Forscher schon lange, wie die großen Unterschiede zu erklären sind, wenn es um ein so elementares Verhalten wie den liebevollen Umgang mit den eigenen Kindern geht.
Evolutionsbiologen aus Harvard beschreiben nun eine Reihe von Genen, die dazu beitragen, dass manche Eltern ihre Kleinen ständig bekuscheln - und andere sie kaum beachten. Im Fachblatt Nature zeigen sie an Mäusen und anderen Spezies, wieso manche Eltern ihre Nachkommen immer wieder liebkosen, während andere ihre Kinder ignorieren oder sich gar aus dem Staub machen. "Erstaunlicherweise haben wir diverse Gene gefunden, die sich bei Müttern und Vätern unterschiedlich auf die Fürsorge auswirken", sagt Andres Bendesky, der Hauptautor der Studie.
"Genetik ist nicht unverrückbar"
Die genetische Ausstattung spielt eine wichtige Rolle dabei, wie wir mit unseren Nächsten umgehen. Eine bestimmte Ausprägung der Gene für die Serotonin-Produktion führt dazu, dass der Spiegel des Hormons auf höherem Niveau verharrt und man sich schneller beruhigt und zufrieden ist. Auf ähnliche Weise beeinflussen Enzymvarianten den Stoffwechsel des Adrenalins. Wird das Stress-Hormon rascher abgebaut, flaut Aufregung leichter wieder ab, schlechte Laune verfliegt.
"Der genetische Bausatz hat zwar Einfluss darauf, wie Eltern auf den Stress reagieren, den Kinder bei ihnen auslösen", sagt Karl-Heinz Brisch, Leiter der Psychosomatik am Haunerschen Kinderspital der Uni München. "Aber die Genetik ist nicht unverrückbar, sondern wird von Erfahrungen reguliert, und die verstärken oder schwächen typische Verhaltensmuster." So hat Stress während der Schwangerschaft großen Einfluss darauf, wie reizbar Kinder sind. Bei leicht zu irritierenden Eltern verstärken sich Ärger und Aggressionen - ein Teufelskreis.
"Eltern bringen immer ihre eigenen Erfahrungen mit, wenn sie Eltern werden", sagt Bindungsexperte Brisch. "Schreien Kinder, weinen sie oder verhalten sich sehr passiv, kann das eigene traumatische Erfahrungen wachrufen." Wenn Eltern ihre Kinder dann nicht beachten, ins Zimmer sperren oder gar schütteln, wollen sie die Kleinen nicht misshandeln, sondern verhindern, dass ihre eigenen Emotionen hochkommen.
Mittlerweile werden Kurse angeboten, damit Eltern verlässliche Bindungen zu ihren Kindern aufbauen. Sie lernen, welches Verhalten ihrer Kinder sie besonders reizt und wie sie feinfühliger mit ihnen umgehen und auf Bedürfnisse reagieren. Die aktuelle Forschung zeigt wohl die genetischen Grundlagen von Fürsorge und Empathie. "Eine liebevolle Elternschaft ist zwar intuitiv angelegt, aber so stabil ist dieses Fundament nicht", sagt Kinderpsychiater Brisch. "Stress und schlechte Erfahrungen der Eltern können hier viel kaputt machen."