Zigarettenindustrie:Viel heiße Luft um den Tabakerhitzer

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Die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen des Tabakerhitzers "Iqos" sind bis heute weitestgehend unbekannt. (Foto: Kim Kyung-Hoon/Reuters)
  • Eine groß angelegte Umfrage zeigt, dass nur 0,4 Prozent der befragten Raucher auf Tabakerhitzer umgestiegen sind, die laut Werbung weniger gesundheitsschädlich sein sollen als klassische Zigaretten.
  • Experten hatten höhere Zahlen erwartet angesichts des enormen Werbeaufwands, den der Hersteller seit Monaten betreibt.
  • Ob diese Art des Tabakkonsums tatsächlich weniger gefährlich ist als Zigaretten, ist bislang nicht bewiesen.

Von Astrid Viciano

Was für ein Versprechen. Dampf statt Rauch, Genuss ohne Gestank, ein gesünderes Leben. So wirbt der Tabakkonzern Philip Morris International (PMI) seit Juni 2016 in Deutschland um Kunden, die sich ein Iqos-Gerät zulegen sollen. Darin wird der Tabak nicht verbrannt, sondern auf bis zu 350 Grad Celsius erhitzt. Das soll weniger krebserregende Substanzen freisetzen als eine brennende Zigarette, mit entsprechend verringerten Gesundheitsrisiken, so heißt es jedenfalls in der Werbung. Wie viele Menschen in Deutschland das neue Produkt nutzen, haben am Donnerstag Epidemiologen auf der Jahreskonferenz der Gesellschaft zur Erforschung von Nikotin und Tabak in München erstmals dargelegt.

Daniel Kotz von der Universität Düsseldorf hat mit seiner Kollegin Sabrina Kastaun die Daten der DEBRA-Studie ausgewertet, der Deutschen Befragung zum Rauchverhalten von Jugendlichen älter als 14 Jahre und Erwachsenen. Zwischen Juni 2017 und Mai 2018 hatten mehr als 12 000 Menschen daran teilgenommen, unter ihnen 3555 Raucher und Ex-Raucher. 0,4 Prozent dieser Gruppe gaben an, Iqos aktuell zu gebrauchen, 5,5 Prozent hatten das Gerät schon einmal ausprobiert. "Angesichts des immensen Werbeaufwands von Philip Morris hätte ich sogar höhere Zahlen erwartet. Man kann in deutschen Großstädten fast keine Zeitung mehr kaufen, ohne mindestens drei Reklamen von Iqos zu sehen", sagt Tobias Rüther, Tagungspräsident der Konferenz in München. Doch womöglich ist das erst der Anfang. Schon bald werden die anderen Tabakriesen mit ihren Gadgets auf den deutschen Markt drängen und um Anteile kämpfen.

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Bislang greifen vor allem höher gebildete Raucher und Ex-Raucher zu Iqos. Zigaretten und E-Zigaretten konsumieren dagegen eher Menschen mit kleinem Einkommen und geringer Bildung. "Das liegt vielleicht daran, dass Iqos recht teuer ist", sagt der Suchtforscher Kotz. Rauchende Frauen leisten sich Iqos genauso oft wie Männer, und im Alter von 18 bis 39 Jahren war der Anteil der Konsumenten am höchsten.

Das Gesundheitsrisiko von Tabakerhitzern hielten die Befragten für eher niedrig. Etwa die Hälfte von ihnen hielten Iqos für etwas oder viel weniger schädlich als Zigaretten, nur ein einziger hielt die Gefahren für größer als herkömmliches Rauchen. "Die Werbestrategie, Iqos als gesündere Alternative zu Tabakzigaretten anzubieten, ist offensichtlich aufgegangen", sagt Kotz.

Doch wie ungesund ist Iqos wirklich? Um die Datenlage zu beurteilen, hat sich Erikas Simonavicius vom King's College in London die bislang vorhandenen wissenschaftlichen Studien zu Iqos und anderen Tabakerhitzern angesehen. Gemeinsam mit seinen Kollegen fand der Doktorand und klinische Psychologe insgesamt 31 Untersuchungen, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügten. 20 davon hatte allerdings die Tabakindustrie durchgeführt. "Das ist eine neue Strategie der Konzerne - uns mit ihren eigenen Daten zu überfluten, die den Anschein von Wissenschaftlichkeit haben", sagt Rüther.

Tatsächlich sind in Tabakerhitzern weniger Schadstoffe enthalten als in Zigaretten, zumindest wenn man sich die von der amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA vorgegebene Liste an Substanzen ansieht. Eine aktuelle Studie in der Zeitschrift Tobacco Control ergab allerdings, dass im Tabakerhitzer 58 weitere Schadstoffe in sehr viel höherer Konzentration vorkommen als in herkömmlichen Tabakzigaretten.

Und in manchen der industriegeförderten Studien werden die Ergebnisse recht frei interpretiert, so ergab es die aktuelle Auswertung von Erikas Simonavicius. PMI kam beispielsweise zu dem Schluss, dass Iqos für Raucher ähnlich zufriedenstellend sei wie Zigaretten. In Wahrheit schnitt der Erhitzer in diesem Punkt jedoch schlechter ab.

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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