Infektionserkrankungen:Menschen übertragen mehr Viren auf Tiere als umgekehrt

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In manchen Nationalparks können Touristen Wildtieren sehr nahe kommen. Das kann für alle Beteiligten gefährlich werden. (Foto: IMAGO/Andy Rouse / Avalon/IMAGO/Avalon.red)

Das könnte am Ende auch dem Menschen schaden, warnen Wissenschaftler nach umfangreichen Genom-Analysen.

Von Berit Uhlmann

Ebola-, Vogelgrippe- und HI-Viren sind prominente Beispiele: Die Erreger zirkulierten in Tieren, bis sie bei einer günstigen Gelegenheit auf den Menschen übersprangen und Krankheitsausbrüche bis hin zu massiven Epidemien auslösten. Solche Gelegenheiten gibt es immer häufiger, weil Menschen tiefer in die Natur eindringen, Lebensräume von Tieren zerstören oder exotische Tiere über den Handel näher zum Menschen gelangen.

Sehr viel weniger bekannt ist die Tatsache, dass Viren dabei auch den umgekehrten Weg nehmen können: Der Mensch überträgt auch Erreger auf Tiere. Ein tragisches Beispiel sind Infektionen von Schimpansen in einem Nationalpark in Tansania. Sehr wahrscheinlich hatten Besucher den Atemwegserreger, das Metapneumovirus, eingeschleppt, dass sich dann unter den Affen verbreitete. Mindestens neun Tiere starben.

Britische Forscher legen nun eine Arbeit vor, die dafür spricht, dass die Infektion vom Mensch zum Tier, Anthropozoonosen genannt, nicht nur gelegentlich vorkommen. Sie seien wahrscheinlich sogar häufiger als der umgekehrte Weg, schreiben sie im Fachblatt Nature Ecology & Evolution .

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Die Wissenschaftler vom University College London und dem Francis Crick Institute hatten fast 59 000 Virus-Genome aus öffentlichen Datenbanken analysiert. Sie umfassten 32 Virusfamilien, die mit 62 verschiedenen Wirbeltierarten in Verbindung standen.

In diesem Genomen fanden die Forscher insgesamt etwa 3000 Anzeichen dafür, dass die Viren auf eine neue Spezies übergesprungen waren. Die meisten dieser Wechsel erfolgten zwischen verschiedenen Tierarten; in knapp 600 Fällen waren Menschen involviert. Dabei schien der Sprung von Mensch zu Tier in 64 Prozent der Fälle erfolgt zu sein, also fast doppelt so häufig wie umgekehrt. Am häufigsten identifizierten die Forscher den Spillover auf Tierarten bei Sars-CoV-2, dem Erreger des Middle East Respiratory Syndromes (Mers) sowie Influenzaviren vom Typ A.

Die Autoren plädieren dafür, dass die Virusüberwachung die Anthropozoonosen stärker in den Blick nehmen sollte. Wenn sich Tiere mit menschlichen Viren infizieren, "kann dies nicht nur dem Tier Schaden zufügen und möglicherweise eine Bedrohung für die Erhaltung der Art darstellen, sondern auch neue Probleme für den Menschen verursachen", sagt Hauptautor Cedric Tan in einer Pressemitteilung.

"Der Mensch ist nur ein Knotenpunkt in einem riesigen Netzwerk von Wirten"

Viren, die neue Wirte erobern, können dort neue Eigenschaften entwickeln. Wenn sie dann zum Menschen zurückgelangen, könnten sie ansteckender sein oder stärker krank machen. Die Erreger können in den Tieren auch ein dauerhaftes Versteck finden, und damit Bemühungen um die Ausrottung von Krankheiten untergraben. Zudem können sie sich auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln auswirken, wenn etwa aufgrund von Seuchen massenhaft Tiere gekeult werden müssen.

Die Wissenschaftler schränken ein, dass ihr Bild nicht vollständig ist. Es gebe in der genomischen Überwachung von Viren so viele Lücken, dass sie mit ihrer Analyse wahrscheinlich nur an der Oberfläche gekratzt hätten. Würden mehr Viren entdeckt und sequenziert, seien andere Ergebnisse möglich. Zudem seien die Sammlungen der Virengenome, auf die sie zurückgegriffen haben, sehr auf solche Erreger konzentriert, die von besonderem Interesse für Menschen sind. Und doch seien selbst in diesem Sample 80 Prozent aller Spillover-Ereignisse zwischen verschiedenen Tierarten erfolgt. Der Virenaustausch im Tierreich werde daher wahrscheinlich stark unterschätzt.

Letztlich, so Mitautor und Epidemiologe Francois Balloux, müsse man den Menschen nicht so sehr als ein Opfer tierischer Viren betrachten, sondern "als nur einen Knotenpunkt in einem riesigen Netzwerk von Wirten, die endlos Krankheitserreger austauschen". Verheerend kann das Geschehen für alle Beteiligten werden.

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