Gesundheit:Die große Angst vorm kleinen Piks

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Die meisten Menschen mögen keine Spritzen, doch einige sogar haben unerträgliche Angst. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Wer sich aufgrund einer Spritzenangst nicht impfen lässt, riskiert gravierende Folgen. Doch Phobien dieser Art sind gut behandelbar.

Von Peter Strigl

Alle zehn Jahre sollte man die Impfung gegen Tetanus und Diphtherie auffrischen lassen. Viele weitere Impfungen werden empfohlen, wenn man einer Risikogruppe angehört oder in Risikogebiete reist, in denen Krankheitserreger zirkulieren. Und momentan steht mit der Corona-Schutzimpfung eine der flächendeckendsten Impfungen der Geschichte an.

Menschen mit einer Trypanophobie stellt das vor beinahe unüberwindliche Hürden. Diese Phobie wird umgangssprachlich auch als Spritzenangst bezeichnet. Dafür reicht allerdings kein mulmiges Gefühl oder Unwohlsein angesichts einer Spritze - das ist vollkommen normal. Auch wer sich aus anderen Gründen nicht impfen lässt, etwa aus Impfskepsis, zählt nicht unbedingt zur Gruppe der Trypanophobiker.

Menschen mit Trypanophobie haben panische Angst vor Injektionen. Manche fallen in Ohnmacht, andere meiden den Arztbesuch gleich ganz. "Damit man von einer Phobie spricht, müssen die Einschränkungen wirklich gravierend sein", sagt Angelika Erhardt, Ärztin am Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie. Etwa drei Prozent der Bevölkerung leiden unter der Phobie, vor allem jüngere Menschen. Im Alter nimmt die Häufigkeit deutlich ab. Wobei die Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind. "Es gibt nicht sehr viele Studien dazu", sagt Erhardt.

Die Trypanophobie sei "zum einen biologisch bedingt mit verschiedenen genetischen Anteilen, zu einem großen Teil aber auch bedingt durch Lernerfahrungen oder Umweltereignisse", sagt die Psychiaterin und Expertin für Angststörungen Katharina Domschke vom Freiburger Universitätsklinikum. Die Spritzenangst gehört zur Gruppe der Blut-, Spritzen- und Verletzungsphobien. Während die Impfung selbst nur ein kleiner Piks ist, kann die Angst davor tatsächlich gefährlich werden. Wer sich etwa nicht gegen Tetanus impfen lässt, der riskiert eine schwere Infektion, auch als Wundstarrkrampf bekannt.

Deswegen ist es sinnvoll, die Spritzenphobie zu behandeln. Katharina Domschke empfiehlt in diesem Zusammenhang die kognitive Verhaltenstherapie. Max-Planck-Forscherin Angelika Erhardt stimmt zu: "Die Verhaltenstherapie mit Exposition hat die höchste Wirksamkeit." Auch an ihrem Institut wird eine solche Therapie angeboten. Dabei werden die Patienten innerhalb von sechs Sitzungen schrittweise mit ihrer Angst konfrontiert: von bloßen Fotos bis zur Blutentnahme.

Der Gedanke dahinter ist schlicht: Wer behutsam an die Situation herangeführt wird, der merkt, dass es eigentlich gar nicht so schlimm ist. Zu ähnlichem Ergebnis, aber mit anderen Mitteln, kam eine Studie aus Israel im Jahr 2003: Empathie kann die Angst der Patienten vor der Spritze in vielen Fällen deutlich abmildern.

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