Medizin:Gar nicht okay!

Homöopathische Globuli

Daran scheiden sich die Geister auch in der Ärzteschaft: Homöopathische Globuli haben zwar laut Studien keine Wirkung, sind aber trotzdem beliebt.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Gesundheitsminister Spahn findet die Kostenübernahme mancher Kassen für Homöopathie "okay". Doch das Geld wäre woanders deutlich besser investiert.

Kommentar von Werner Bartens

Talkshow-Moderatoren schwärmen manchmal von Jens Spahn, schließlich könne der Gesundheitsminister "jede Temperatur" mitgehen. Auch wenn er meistens sachlich kühl bleibe, vermag er bei Bedarf hitzig zu reagieren.

In welchem Aggregatzustand (oder besser: Ausnahmezustand?) Spahn sich befand, als er kürzlich die Kostenübernahme einiger Krankenkassen für homöopathische Verfahren als "okay" bewertete, ist allerdings schwer zu sagen.

Es ist ja so: Tausende Studien über die Homöopathie haben keinen Nutzenbeweis über den Placeboeffekt hinaus erbringen können. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Methode Unsinn, gepaart mit einem Schuss Esoterik (oder umgekehrt?), etwa wenn es um die ominöse Macht des Potenzierens geht. Das dürre Gedankengerüst ist zigmal zerlegt worden, bis sich die Argumente der Befürworter so verflüchtigten wie homöopathische Hochpotenzen.

Mit 20 Millionen Euro aber ließe sich viel Sinnvolles im Gesundheitswesen anstellen

Der Rest ist Ideologie und Glaubenskrieg, zumal sich die Lobbyvereine der Homöopathen gerne der Schlagworte "natürlich, sanft und harmlos" bedienen. Die Attribute treffen zwar nicht zu, haben aber immerhin zur Nebenwirkung, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung dem Verfahren aufgeschlossen gegenübersteht. Und die Kassen zahlen übrigens aus Marketinggründen, um junge, besser verdienende Mitglieder zu gewinnen.

Jens Spahn weiß, warum die Homöopathie nichts taugt. Er weiß allerdings ebenso, dass sich die Methode ungeachtet aller Argumente weiterhin einer erstaunlichen Popularität erfreut. Angesichts von 40 Milliarden Euro, die jährlich für den Arzneimittelmarkt in Deutschland aufgewendet werden, stufte Spahn die 20 Millionen, die von manchen Kassen für homöopathische Behandlungen erstattet werden, als läppisch und nicht weiter der Rede wert ein - "so okay" eben.

Mit 20 Millionen Euro aber ließe sich viel Sinnvolles im Gesundheitswesen anstellen, statt es für unnütze Beschwörungsrituale zu vergeuden. Zudem sendet Spahn mit seiner vermeintlich lässigen Botschaft ein fatales Signal: Wenn es sogar der Gesundheitsminister "okay" findet, dass die Solidargemeinschaft für Homöopathie zahlt, dann muss auch etwas dran sein. Er wertet damit die abstruse Methode auf, nur weil er offenbar keine Lust auf Diskussionen mit einer weltanschaulich verbissenen Klientel hat.

Eine ähnlich falsche Strategie müssen sich etliche Unikliniken vorwerfen lassen, die sich populistisch anbiedern, indem sie Institute zur Erforschung der Homöopathie einrichten. Auf diese Weise werden der Pseudowissenschaft auch noch akademische Ehren zuteil. Und nun gibt Gesundheitsminister Spahn seinen politischen Segen zur Geldverschwendung - okay ist das wirklich nicht.

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Homöopathie: Globulis sind klassische homöopathische Mittel

Leserdiskussion
:Krankenkassen übernehmen Kosten für Homöopathie - ist das "okay"?

Gesundheitsminister Spahn findet die Kostenübernahme einiger Krankenkassen für homöopathische Therapien "okay". SZ-Autor Werner Bartens kritisiert diesen "politischen Segen zur Geldverschwendung".

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