Düsseldorf:Neue Pflege-Qualitätskontrollen in NRW

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Das Wohlbefinden der Bewohner soll künftig in Pflegeheimen im Mittelpunkt stehen: möglichst ohne Druckgeschwüre und Mangelernährung sollen sie lange mobil und selbstbestimmt leben. Das sollen die neuen Qualitätsprüfungen für die stationäre Pflege sicherstellen, die ab November bundesweit eingeführt werden.

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Das Wohlbefinden der Bewohner soll künftig in Pflegeheimen im Mittelpunkt stehen: möglichst ohne Druckgeschwüre und Mangelernährung sollen sie lange mobil und selbstbestimmt leben. Das sollen die neuen Qualitätsprüfungen für die stationäre Pflege sicherstellen, die ab November bundesweit eingeführt werden.

„Damit werden die bisherigen Pflege-Noten verschwinden“, erläuterte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am Freitag in Düsseldorf. Bei der ersten von fünf NRW-Regionalveranstaltungen zu den Neuerungen machte der frühere Pflege-Beauftragte der Bundesregierung aus seinem Herzen keine Mördergrube: „Ich habe das immer für eine Farce gehalten.“ Bundesweit haben die Einrichtungen aller Bundesländer im Schnitt eine 1 vor dem Komma.

Unterstützung erhielt Laumann aus berufenem Mund. Die neuen bundesweiten Qualitätskriterien wurden maßgeblich von einem Medizinsoziologen der Universität Bielefeld mitentwickelt. Prof. Klaus Wingenfeld vom Institut für Pflegewissenschaft stellte fest: „Es kann nicht sein, dass alle sehr gut sind. Alle wissen, dass das nicht die Realität ist.“

Der Experte hat ein eindrucksvolles Beispiel parat: „2014 hatten in einem Pflegeheim 42 Prozent von 24 Bewohnern innerhalb eines halben Jahres Druckgeschwüre, eine extrem schlechte Quote. Die Gesamtnote der Einrichtung war aber 1,1.“

Der unrealistische Anspruch, alle wichtigen Kriterien für gute Pflege in einer einzigen Note abzubilden, habe zu einem „Irrsinn“ beim Verrechnen nicht vergleichbarer Leistungen geführt, kritisierte Laumann. „Mit einer schön gedruckten Speisekarte kann man Fehler in der Pflege wegkriegen“, bemängelte er. „In Nordrhein-Westfalen sind schon Pflegeheime von Ordnungsbehörden wegen gefährlicher Pflege geschlossen worden, die im Netz mit der Note 1 standen.“

Künftig müssen die Pflegeheime regelmäßig konkrete Daten erheben. Dazu zählen etwa die Häufigkeit von Druckgeschwüren, schwerwiegenden Sturzverletzungen oder Fixierungen der Bewohner ebenso wie Maßnahmen, um deren Mobilität, Selbstständigkeit, Kommunikation und soziale Kontakte zu fördern.

„Dass die Einrichtungen das selbst erfassen, ist neu“, erläutert Wingenfeld. Ausgewertet werden die Daten aber von einer neutralen Institution. Es bleibe bei der externen Qualitätskontrolle. Die soll aber wesentlich aussagekräftiger und transparenter werden. „Die Prüfer nehmen 24 Qualitätsaspekte in den Blick.“ Die Angaben der Heime werden dabei einer Plausibilitätskontrolle unterzogen.

Im Mittelpunkt soll künftig nicht mehr stehen, ob jeder Schritt penibel dokumentiert wurde, sondern ob es den einzelnen Bewohnern gut geht und ob ihnen Risiken oder sogar Schäden drohen. „Es soll nicht länger ein Großteil der Energie in die Pflege der Pflege-Dokumentation fließen“, betonte der Wissenschaftler.

Am Ende werden alle wesentlichen Pflege-Parameter einzeln mit einem Punktesystem bewertet, das Angehörigen auf der Suche nach einem passenden Pflegeheim Orientierung geben soll. Ein Punkt bis fünf Punkte drücken dann Zeile für Zeile aus, wie weit eine Einrichtung über oder unter dem Durchschnitt aller Einrichtungen liegt - etwa bei der Häufigkeit von Druckgeschwüren, Stürzen oder bei der Unterstützung der Bewohner beim Essen und Trinken.

Heime, die besonders schlecht abschneiden, müssen sich von den Medizinischen Diensten der Krankenkassen beraten lassen; die guten hingegen haben nicht mehr jährlich, sondern nur noch alle zwei Jahre die Kontrolleure im Haus.

Diese Kontrollen seien „keine Inquisition wie im Mittelalter“, betonte Laumann. Nötig sei eine neue Fehlerkultur in der Pflege. „Auch in Einrichtungen mit sehr guten Personalquoten gibt es manchmal schlimme Fehler.“ Es dürfe aber nicht jeder Fehler skandalisiert werden. „Wenn eine Einrichtung gleich am Pranger steht, nach dem Motto: „Das war's jetzt“, dann werden Fehler vertuscht. Das ist das Schlimmste, denn dann wird nichts daraus gelernt, mahnte der Minister.

Seinen Angaben zufolge werden in NRW rund 170 000 Pflegebedürftige in 2190 vollstationären Einrichtungen versorgt. Der Minister erhofft sich durch die neue Kontrolle auch Aufschluss über die Effektivität der in NRW überdurchschnittlich hohen Ausgaben für das System.

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