Gesundheit:BGH erlaubt mehr Preiskampf bei Arzneimitteln

Lesezeit: 2 Min.

Karlsruhe (dpa) - Das Geschäft mit der Gesundheit ist eine sensible Angelegenheit. Strenge Regeln verhindern daher Rabattschlachten und Dumpingpreise. Beim Thema Zuzahlungen lässt der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil aber mehr Wettbewerb zu. Kassenpatienten können davon profitieren.

Direkt aus dem dpa-Newskanal: Dieser Text wurde automatisch von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übernommen und von der SZ-Redaktion nicht bearbeitet.

Karlsruhe (dpa) - Das Geschäft mit der Gesundheit ist eine sensible Angelegenheit. Strenge Regeln verhindern daher Rabattschlachten und Dumpingpreise. Beim Thema Zuzahlungen lässt der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem Urteil aber mehr Wettbewerb zu. Kassenpatienten können davon profitieren.

Zuzahlungen - worum handelt es sich da noch mal genau?

Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen für viele rezeptpflichtige Arzneimittel größtenteils die Kosten und je nach Bedarf auch für Heil- und Hilfsmittel wie etwa Massagen, Prothesen oder Schuheinlagen. Einen kleineren Teil des Preises müssen erwachsene Patienten aber in der Regel selbst tragen. Bei Medikamenten sind das zum Beispiel grundsätzlich zehn Prozent, mindestens aber fünf und maximal zehn Euro. Diesen Betrag zahlen Kunden an der Apotheken-Kasse, wenn sie ihr Rezept einlösen. Einige besonders günstige Arzneimittel sind von der Zuzahlung befreit. Damit niemand über seine Verhältnisse belastet wird, gibt es eine einkommensabhängige Höchstgrenze. Chronisch Kranke sind durch eine niedriger angesetzte Grenze besonders geschützt.

Um was ging es vor dem BGH?

Der Fall (Az. I ZR 143/15): Ein auf Diabetiker-Bedarf spezialisierter Versandhändler aus der Nähe von Ulm hatte auf das Kassieren der Selbstbeteiligung einfach verzichtet. „Zuzahlung bezahlen Sie übrigens bei uns nicht, das übernehmen wir für Sie!“, hieß es unter anderem in dem Online-Shop. Das rief Wettbewerbsschützer auf den Plan, die solche Werbeaktionen auch schon bei anderen Händlern beobachtet haben. „Das scheint durchaus ein beliebtes Marketingmittel zu sein“, sagt Christiane Köber, Geschäftsführungs-Mitglied und Gesundheitsexpertin der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

Warum finden die Wettbewerbsschützer das problematisch?

Sie kritisieren, dass solche Aktionen den Sinn und Zweck der Zuzahlungen aushöhlen - nämlich den Versicherten vor Augen zu führen, dass jede Leistung im Gesundheitssystem Geld kostet. Leidtragende seien außerdem die Apotheker, denen berufsrechtliche Konsequenzen wie Geldstrafen drohen, wenn sie die Selbstbeteiligung nicht kassieren. Die Folgen liegen für Köber auf der Hand: „Wenn ich in der Apotheke die Zuzahlung leisten muss, weil der Apotheker sonst heftige Probleme mit seinem Berufsgericht bekommt, dann gehe ich doch lieber zum Händler und spare da monatlich doch ganz erhebliche Beträge.“

Aber das sehen die Karlsruher Richter nicht so eng?

Sie sagen: Die Zuzahlungen sind nicht dazu da, um Mitbewerber vor Konkurrenten zu schützen, sondern um die Kosten im Gesundheitssystem im Rahmen zu halten. Zwar ist es so, dass die Versicherten prinzipiell zur Zuzahlung verpflichtet sind. Bei medizinischen Hilfsmitteln gibt es aber Besonderheiten bei der Verrechnung: Hier zieht die Kasse automatisch einen Betrag in Höhe der Zuzahlung ab, wenn sie das Geld für die Leistung überweist. Der Verlust liegt also beim Händler. „Er kann auf die Zuzahlung ohne Weiteres verzichten“, begründet der Senatsvorsitzende Wolfgang Büscher die Entscheidung.

Was bedeutet das Urteil für Kassenpatienten?

„Für die Versicherten können sich dadurch erhebliche Einsparungen ergeben“, sagt BGH-Sprecherin Dietlind Weinland. Denn zu den Hilfsmitteln zählen längst nicht nur Diabetiker-Produkte, sondern auch Kompressionsstrümpfe, Inkontinenzhilfen, Blutdruckmesser oder Hörgeräte. Einen Preiswettbewerb gibt es aber nur, wenn die Händler den finanziellen Spielraum haben, sich die Zuzahlung entgehen zu lassen. Im Fall der verklagten Dr. Schweizer GmbH ging es um Beträge von höchstens zwei Euro, wie sie für die Abgabe von Teststreifen oder Lanzetten an Diabetiker fällig werden. Der Firma war es zu aufwendig, jedem Kunden im Online-Shop deswegen eine Rechnung zu schicken.

Wie passt der Fall zur Situation auf dem Arzneimittel-Markt?

„Wir haben ein grundsätzliches Problem“, meint Köber. „Einerseits gibt es im Hinblick auf das sensible Rechtsgut Gesundheit viele Regeln. Andererseits wird Wettbewerb gefordert, um möglichst günstige Preise zu erzielen. Das passt nicht immer zusammen.“ Größte Baustelle ist im Moment der Streit um die deutsche Preisbindung: Bundesweit haben alle Apotheken rezeptpflichtige Medikamente zum selben Preis abzugeben. Daran mussten sich auch ausländische Online-Apotheken wie DocMorris halten - bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Oktober, der den freien Warenverkehr behindert sah. Angestrebt ist jetzt, die deutsche Praxis durch ein komplettes Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten zu retten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: