Vollkornbrot und Frischkornbrei hielten Ernährungswissenschaftler jahrelang für unverdaulichen und verzichtbaren Ballast. Und so hießen ihre Inhaltsstoffe dann auch: Schon der Name drückte eine gewisse Verachtung aus. Nur Gesundheitsapostel widersprachen, und inzwischen ist aus ihren Lehren ein breiter Konsens erwachsen.
Einer Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zufolge haben Ballaststoffe das Potenzial, die Entstehung diverser Volkskrankheiten zu beeinflussen. Sie helfen wahrscheinlich gegen Fettleibigkeit bei Erwachsenen, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Vermutlich senken Ballaststoffe aus Getreide auch das Risiko für Diabetes und Dickdarmkrebs, nicht jedoch solche aus Obst und Gemüse. Seit Kurzem dürfen sich auch Hafer- und Gersteprodukte europaweit mit der Aussagen schmücken: "Tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei".
Lebensverlängernde Wirkung
Summa summarum wirkt ein hoher Ballaststoffanteil in der Nahrung offensichtlich auch lebensverlängernd. So hat die bislang größte Studie zum Thema mit rund 370.000 Teilnehmern und einem Beobachtungszeitraum von neun Jahren aufgedeckt, dass Vollkornfans eine um 22 Prozent niedrigere Sterberate haben als Weißbrotfreunde. Die DGE wie andere Fachgesellschaften empfehlen daher, täglich 30 Gramm der Pflanzenstoffe vor allem aus Vollkorngetreide zu sich zu nehmen.
Ballaststoffe sind per Definition Bestandteile der Nahrung, die nicht oder kaum vom menschlichen Verdauungssystem abgebaut werden können. Sie werden eingeteilt in lösliche oder unlösliche Stoffe. Zu den löslichen zählen Pektin und Inulin, sie kommen meist in Obst und Gemüse vor. Getreide enthält beide Arten: lösliche wie resistente Stärke und Oligosaccharide (Mehrfachzucker) im Inneren der Körner, unlösliche Ballaststoffe wie Cellulose, Hemicellulose und Lignin in Randschichten.
Da Magen und Dünndarm mit ihren Enzymen machtlos gegenüber diesen Stoffen sind, gelangen sie unverdaut in den Dickdarm. Dort machen sich Bakterien über die Ballaststoffe her und bauen sie zu kurzkettigen Fettsäuren und Gasen ab. Zwar nutzen die Bakterien die Fette als Treibstoff, ein Teil davon kann aber auch ins Blut gelangen und als Kalorien in der Energiebilanz des Menschen aufscheinen.
Auf ihrem Weg durch den menschlichen Verdauungstrakt entfalten die Pflanzenstoffe, die im Darm aufquellen, ihre Wirkungen: Sie beschleunigen die Darmpassage und binden Gallensäuren, Östrogene sowie krebserregende Substanzen. Ballaststoffe fixieren auch Cholesterin aus der Nahrung und senken damit den Cholesterinspiegel im Blut. Zudem machen sie durch ihr großes Volumen besser satt und beugen dem Übergewicht vor. Die von den Darmbakterien gebildeten Fettsäuren hemmen das Wachstum von Krebszellen.
"Warum sich das Diabetes-Risiko bei hohem Vollkorn-Konsum verringert, ist allerdings noch nicht gut erklärt", sagt Andreas Pfeiffer, Ernährungsmediziner am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Offensichtlich ist hilfreich, dass Zucker aus der Nahrung in Anwesenheit der Ballaststoffe langsamer ins Blut gelangt. Andere mögliche Erklärungen bemühen indirekte Effekte. Beobachtungen zeigen jedenfalls, dass unlösliche Ballaststoffe wie Kleie, denen auch die Bakterien nichts abgewinnen können, den Zuckerstoffwechsel verbessern. "Sie eliminieren wahrscheinlich ungünstige Komponenten der Nahrung", erklärt Pfeiffer.