Es soll Anfang 2014 gewesen sein, als der Doktorand Samuel Sternberg aus Jennifer Doudnas Labor an der University of California in Berkeley von einer Geschäftsfrau zu einem obskuren Lunch eingeladen wurde: Die Dame interessierte sich für eine revolutionäre gentechnische Methode, die Doudna knapp zwei Jahre zuvor mit der Französin Emmanuelle Charpentier veröffentlicht hatte.
Das molekularbiologische Werkzeug, Crispr-Cas genannt, erlaubt es, einfach und in großer Zahl Änderungen im Erbgut von Lebewesen vorzunehmen - auch in dem von Menschen. Bei mexikanischen Cocktails unterbreitete die Unternehmerin dem jungen Forscher daher ihre Idee: Sie wolle Paaren mit Erbkrankheiten in einem kommerziellen Start-up zu per Crispr-Technik genetisch reparierten Crispr-Babys verhelfen. Sternberg sollte sie mit seinem Know-how dabei unterstützen.
Für Sternberg, der das Restaurant fluchtartig verließ, und auch für Jennifer Doudna war dieses Angebot damals ein Erweckungserlebnis. Insbesondere Doudna hat sich nach eigener Aussage immer gefragt, wie weit andere Forscher wohl gehen würden mit dieser Technik, deren Existenz sie mitzuverantworten hat und deren Anwendung an menschlichen Embryonen keineswegs mehr Science-Fiction ist, wie nun eine Arbeit im Wissenschaftsjournal Nature beweist: Erstmals haben Forscher lebensfähige Embryonen mithilfe von Crispr erfolgreich genetisch verändert, und zwar so effektiv, dass sich ein Teil der künstlich befruchteten Eizellen im Labor normal entwickelte. Den gesunden, von einem erblichen Herzmuskeldefekt des Vaters befreiten Zellkugeln fehlte eigentlich nur noch eines, um zu einem richtigen Embryo und schließlich zu einem Crispr-Baby heranwachsen zu können: eine Mutter, die sie austrägt.
So weit sind die Forscher nicht gegangen, die Embryonen wurden nach wenigen Tagen für weitere Untersuchungen zerstört. Doch diskutiert wird über die Bedeutung der Arbeit schon seit Tagen. Bereits vergangene Woche war bekannt geworden, dass das Team um Shouhkrath Mitalipov von der Oregon Science and Health University in Portland seine Experimente mit großem Erfolg abgeschlossen hatte. Nun, da die Details schwarz auf weiß vorliegen, ist klar, dass das Crispr-Baby überraschend greifbar ist.
Bislang hatten die wenigen verfügbaren Studien eher das Gegenteil nahegelegt. Nur in einer einzigen Arbeit war bislang an lebensfähigen Embryonen experimentiert worden, und das mit bedenklich hohen Fehlerquoten durch genetische Veränderungen an Stellen im Genom, die durch den Eingriff gar nicht verändert werden sollten. Solche Off-Target-Effekte gelten als ein Hauptproblem von Crispr-Cas. In Embryonen kommt es außerdem nicht in allen Zellen zu einer gewünschten Korrektur. Dadurch entstehen biologische Mosaike aus krankem und gesundem Gewebe.
Viele Fachleute hielten es wegen dieser Probleme für sehr unwahrscheinlich, dass Erbdefekte mit der Crispr-Genschere bald sicher zu korrigieren sein würden. Mitalipovs Team aber plante seine Versuche äußerst bedacht. Zunächst testeten die Forscher ihr Werkzeug systematisch, unter anderem an Stammzellen des herzkranken Samenspenders, um zu messen, wie präzise die Korrektur im Erbgut erfolgt. Für die eigentlichen Versuche nutzten sie schließlich einen Trick, der die Mosaikbildung im Embryo verhindern sollte: Die Biomediziner nahmen die Crispr-Behandlung nicht erst nach der künstlichen Befruchtung der Eizellen vor, sondern bereits im Moment der Befruchtung, während das Spermium in die Eizelle eindrang.