Mehr als vier Millionen Menschen in Europa sterben jährlich an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind damit weiterhin die Todesursache Nummer 1, trotz eines leichten Rückgangs seit 2008. Das zeigt der aktuelle Bericht der European Society of Cardiology (ESC) und des European Heart Network (EHN). Durch einen Schlaganfall stirbt demnach eine von sieben Frauen und einer von zehn Männern in Europa.
Ein Herzinfarkt ist die Todesursache für jeden fünften Europäer. Seit 2008 sei der Anteil dieser Krankheiten an allen Todesfällen geringfügig von 48 auf 47 Prozent gesunken. Der Hauptgrund für weniger Herzinfarkt-Todesfälle sei eine bessere medizinische Behandlung.
Dem Bericht zufolge ist auch die Zahl der Schlaganfälle in den reicheren Ländern in den vergangenen Jahren gesunken. Fortschritte in der Therapie habe es aber kaum gegeben, berichten die Forscher. Von den Schlaganfall-Patienten, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, sterben heute noch fast genauso viele wie vor zehn Jahren.
Die Zahlen belegen auch, dass es große Unterschiede zwischen den europäischen Regionen gibt. Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen demnach in Nord- und Westeuropa weniger Todesfälle als in den ehemaligen Ostblockstaaten Mittel- und Osteuropas. So sterben in Deutschland und den Niederlanden durchschnittlich 16 von 100.000 Männern an Herzinfarkt und Schlaganfall, in Russland sind es dagegen 186 von 100.000. Dem Bericht zufolge wird in Osteuropa vergleichsweise mehr geraucht.
Der leichte Rückgang der Todesfälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen sei kein Grund zur Entwarnung, sagt Hans Stam, Präsident des EHN. Denn wie der Bericht zeigt, nehmen Risikofaktoren wie Diabetes und Übergewicht in den meisten europäischen Ländern zu. In 34 von 40 Ländern seien mehr als die Hälfte der Erwachsenen übergewichtig. In Deutschland bringen 45,5 Prozent der Männer und 29,5 Prozent der Frauen zu viel auf die Waage. Rund 20 Prozent aller Erwachsenen gelten als fettleibig.
Auch das Rauchen sei noch immer ein großes Gesundheitsproblem, sagen die Forscher. Insbesondere unter den Frauen und Mädchen Nord- und Westeuropas steige die Zahl der Raucherinnen deutlich an.
"Wir erwarten, dass sich die Probleme durch die alternde Bevölkerung und die ungesunde Lebensweise in den kommenden Jahren wieder verschärfen", sagt Panos Vardas, Präsident der European Society of Cardiology (ESC). Es müsse daher dringend mehr in Vorbeugungs- und Aufklärungsmaßnahmen investiert werden, um die Gesundheit der europäischen Bevölkerung zu verbessern, aber auch um die Belastung für die Gesundheitssysteme nicht noch weiter steigen zu lassen. Schon jetzt verursachten Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Europa jährliche Ausgaben von geschätzt 196 Milliarden Euro pro Jahr.
Für ihren Bericht hatten die Forscher vor allem Daten internationaler und europäischer Organisationen und Gremien ausgewertet, darunter auch die der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie erfassten die Daten für alle Länder, die in der WHO als Region Europa registriert sind. Neben den Staaten der Europäischen Union und allen Balkanländern gehören dazu auch Russland und ehemalige Sowjetrepubliken wie Georgien, Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan, außerdem die Türkei, Israel, Weißrussland und die Ukraine.