Ernährung mit heimischen Produkten:Radikal regional

Lesezeit: 5 min

Streuobst

Wenn der Verbraucher weiß, wo sein Apfel herkommt, hat er mehr Vertrauen.

(Foto: DAH)

Ernährungsmediziner und Spitzenköche setzen zunehmend auf Lebensmittel aus der Nachbarschaft. Ersten Studien zufolge ist dies gesund. Allerdings definieren die Verfechter dieser neuen Küche Regionalität viel radikaler als der Supermarkt. Bei ihnen kommen auch Moose und Bucheckern auf den Tisch.

Von Kathrin Burger

Ortstypische Wurstwaren, Äpfel von der Streuobstwiese nahe der Stadt, Honig vom Imker um die Ecke - die Deutschen kaufen immer häufiger Produkte aus der Region. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2012, im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums (BMVL) achten zwei von drei Menschen beim Einkauf auf Lebensmittel, die in ihrer Nähe produziert wurden. Auch der Lebensmittelhandel bietet zunehmend regionale Ware an.

Laut BMVL-Studie vertraut ein Großteil der Befragten dem Landwirt aus der Nachbarschaft mehr als einem Lebensmittelkonzern, viele schätzen die kurzen Transportwege, glauben also, regionale Produkte seien klimaschonender hergestellt. Einige Verbraucher wollen auch Arbeitsplätze in der Nähe erhalten helfen. Zudem gelten regionale Produkte als authentisch, wohlschmeckend und gesund. "Diese Zuschreibungen resultieren aus einem Unbehagen gegenüber der Globalisierung in der Lebensmittelproduktion", sagt der Ernährungspsychologe Christoph Klotter von der Hochschule Fulda.

Dabei zeigt eine genauere Analyse, dass das Image der regionalen Lebensmittel manchmal besser ist als die Wirklichkeit. Das gilt vor allem für die Ökobilanz. So belegen Studien etwa des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) und der Universität Gießen, dass regionale Lebensmittel nicht automatisch das Klima entlasten.

Die CO2-Bilanz deutscher Äpfel ist beispielsweise nur im Herbst und Frühwinter besser, nicht mehr im Februar und März. "Der globale Schiffstransport von Tafeläpfeln verursacht dann eine vergleichbare Menge an Klimagasen wie die Lagerung der letztjährigen regionalen Ernte in Kühlhäusern", schreibt Elmar Schilch, Prozesstechnologe an der Universität Gießen in der Fachzeitschrift Ernährungsumschau.

Und ein in Deutschland aufgezogenes, aber mit Soja gefüttertes Rind aus einem Stall mit weniger als 400 Rindern schneidet laut Schilch in der CO2-Bilanz schlechter ab als ein Weiderind aus der argentinischen Grassteppe. Auch dem Verbraucher kommt laut IFEU eine Rolle zu: So schlagen zwei Kilogramm heimisch produzierter Äpfel mit 0,4 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalenten zu Buche. Wenn man diese aber mit dem Auto einkauft, können sich die Emissionen verfünffachen.

Allerdings geht es bei Lebensmitteln aus der Region nicht mehr nur um die Umwelt, sondern auch um Geschmack und Gesundheit. Auslöser dieser Debatte war die Sterne-Gastronomie, allen voran René Redzepi, Chefkoch des Noma in Kopenhagen. Das Restaurant wurde von der Fachzeitschrift Restaurant Magazin von 2010 bis 2012 zum besten Restaurant der Welt gewählt, derzeit steht es auf Platz 2.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema