Tipps für den Einkauf von Olivenöl:Flüssiges Gold

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Es gibt unzählige Öle. Merkwürdigerweise gehören alle der höchsten Güteklasse an. (Foto: Bloomberg)

Gesund, ländlich, traditionell - kaum ein Lebensmittel hat einen so guten Ruf wie Olivenöl. Doch seine Herstellung ist ein hart umkämpftes, mitunter kriminelles Geschäft, bei dem auch die Kunden betrogen werden. Was Sie über das Öl wissen sollten - und warum Sie es am besten erst in sechs Wochen kaufen.

Von Berit Uhlmann

Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche davon taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten? In regelmäßiger Folge bewerten wir hier weitverbreitete Lebensmittel für Sie. Teil 5: Olivenöl.

Der Ölzweig als Sinnbild des Friedens - das erscheint unpassend angesichts des Kampfes, der um die Früchte der alten knorrigen Bäume entbrannt ist. Das goldene Speiseöl ist immer wieder Gegenstand von Lebensmittelskandalen. Nur im Drogenhandel gelten die Gewinnmargen als höher, schreibt das Magazin der Organisation Slow Food. Und die italienische Zeitung La Repubblica berichtete Ende 2011 von derart systematischen Betrügereien, dass sie den Begriff "Ölmafia" für angemessen hielt. Da erscheint es fast als Randnotiz, dass auch die gesundheitlichen Vorzüge des Öls oft übertrieben dargestellt werden.

Richtig ist, dass Olivenöl viele ungesättigte Fettsäuren enthält, sagt der Kardiologe und Ernährungsexperte der Deutschen Herzstifung, Helmut Gohlke. Diese Säuren senken das ungünstige LDL-Cholesterin, wenn sie anstelle von gesättigten Fettsäuren etwa aus der Butter verwendet werden. Allerdings ist die Wirkung längst nicht so groß, dass man Öl verschwenderisch über möglichst viele Speisen gießen sollte.

Auch Olivenöl ist pures Fett, ein Esslöffel (zehn Milliliter) enthält 90 Kilokalorien, das entspricht etwa einem Becher (150 Gramm) Naturjoghurt. "Für die Gesundheit aber ist die Begrenzung von Kalorien mindestens genauso wichtig,wie die genaue Zusammensetzung der Nahrung", sagt Gohlke.

Einen gesundheitlichen Effekt haben Verbraucher also nur, wenn sie dort, wo sie ohnehin Fett brauchen - beispielsweise für die Salatsoße oder beim Braten - Oliven- oder auch Rapsöl verwenden. Solange das Olivenöl nicht in der Pfanne raucht, also etwa bis 180 Grad, bleiben die ungesättigten Fettsäuren erhalten.

Kaum wurden die Deutschen aufgeklärt, dass nur Öl mit dem Prädikat "nativ extra", - oder auf Italienisch "extra vergine" - wirklich hochwertig ist, da verschwanden die anderen Sorten aus dem Sortiment selbst der Discounter. Wer heute die Regale eines Supermarktes entlanggeht, sieht nur dieses scheinbar hervorragende Öl. Gab es hier einen Qualitätssprung? Heißt dies, dass heute nur noch Oliven im perfekten Reifezustand schonend vom Baum gepflückt und sofort ausgepresst werden? Dass das Öl absolut rein, frisch, fruchtig und naturbelassen ist, so wie man es bei einer höchsten Qualitätsstufe erwarten würde?

Einiges spricht dagegen. Zum einen ist Betrug in der Branche verbreitet. Laut Repubblica beginnt er damit, dass das als besonders gut geltende italienische Öl zum Großteil gar nicht aus Italien stammt. Es wird vor allem aus Tunesien importiert und mindestens für das 10- bis 20-Fache des Einkaufspreises als italienisches Öl verkauft. Manchmal handelt es sich um simplen Etikettenschwindel: Die Herkunftsangabe, die seit 2009 Pflicht ist, steht winzig klein auf dem Etikett. Das Öl wird überwiegend in preiswerten Supermärkten oder Touristenzentren verkauft, eben da wo die Kunden nicht so genau hinschauen oder kein Italienisch verstehen. In anderen Fällen unterziehen Geschäftsleute das importierte Öl komplizierten Serien von Ein- und Ausfuhren, bis es unmöglich ist, seinen Weg zurückzuverfolgen.

Dabei geht es nicht nur um falsche Herkunftsangaben. Das billig produzierte Öl ist oft auch minderwertig. Um unangenehme Geschmacksnoten zu vermeiden, wird es mit höherwertigem Öl gemischt oder Hitzebehandlungen unterzogen, um es halbwegs passabel schmecken zu lassen.

Alles in allem dürften etwa 30 bis 40 Prozent der in Italien verkauften Olivenöle die Bezeichnung "extra vergine" gar nicht tragen, schätzt der Lebensmittelchemiker Christian Gertz, der Labortests für Olivenöle entwickelt hat. In Deutschland sind es seiner Schätzung nach etwa 15 Prozent.

"Modrig" und "wurmstichig"

Wie ist so etwas möglich? Werden die Öle nicht geprüft? Sie müssen laut EU-Verordnung sogar sehr aufwändig getestet werden - mittels Laboranalysen sowie der Verkostung durch Gruppen von mindestens acht Profis. Minutenlang schnüffeln die Verkoster nach allen Regeln der Kunst am Öl, rollen es durch den Mund und schlürfen die zähe Flüssigkeit - um auszuschließen, was die maßgebliche EU-Verordnung in einer seltsamen Mischung aus Amts-Nüchternheit und schaurigem Vokabular als Mangel deklariert: "modrigen", "schmierölartigen" oder "wurmstichigen" Geschmack beispielsweise.

Dieter Oberg ist so ein Verkoster. Er leitet das Deutsche Olivenöl Panel, eine von etwa 40 Prüfgruppen weltweit. Wenn er auf Fehler stößt, dann in vielen Fällen auf einen Geschmack, der "stichig/schlammig" genannt wird. Er zeugt davon, dass die Oliven vor der Pressung zu lange lagerten und zu gären begannen, oder dass die Öltanks nicht ausreichend gereinigt wurden. Stellen Prüfergruppen wie die von Oberg solche Mängel fest, dürfen die Öle nicht mehr als "extra nativ" verkauft werden. Ob die Händler sich daran halten, liegt allerdings nicht mehr im Einfluss der Prüfer.

In Italien arbeiten nach einer Slow-Food-Publikation zudem nicht alle Prüfer seriös. Und letztlich gibt es auch Betrugsversuche, die selbst die besten Tester nicht aufspüren können. So wird verdorbenes Öl gelegentlich mit heißem Dampf behandelt, das nimmt die stichige oder muffige Note, geht aber auch zu Lasten des natürlichen Geschmacks. "Das ist verboten, aber kaum feststellbar", sagt Oberg.

Doch was ist mit den 85 Prozent der in Deutschland erhältlichen Öle, die ihr Prädikat dem Gesetz nach zu Recht tragen? "Die EU-Verordnung ist so lax, dass heute auch Öle, die gerade so den Mindestanforderungen genügen, das höchste Güteprädikat tragen dürfen", sagt der Chemiker Gertz. Welchen Einfluss die Qualität auf die gesundheitlichen Vorzüge des Öls hat, ist unklar. "Das ist nicht untersucht", sagt Kardiologe Helmut Gohlke.

Was bleibt, sind Unterschiede im Geschmack - und spätestens hier werden die Einschätzungen widersprüchlich und die Verbraucher ratlos. So stellte Stiftung Warentest weit verbreiteten Olivenölen in mehreren Untersuchungen ein überwiegend passables Zeugnis aus. Kenner haben die Untersuchungen mehrfach kritisert.

Auch Tester Dieter Oberg hält wenig vom Geschmack der preiswerten Öle im Supermarkt. Vereinfacht ausgedrückt arbeitet er mit einer Skala, die von drei für ein mangelhaftes bis zehn für ein exquisites Öl reicht. "Der Wert der Supermarkt-Öle liegt bei etwa fünf", sagt Oberg. Es ist ein Mindeststandard, auf dem sich der Großteil der in Deutschland angebotenen Öle eingepegelt hat.

Doch erst oberhalb dieses Wertes wird der Geschmack interessant - das Öl allerdings auch teuer. Die meisten Experten sind sich einig, dass unter zehn Euro pro Liter kein wirklich hochwertiges Öl zu bekommen ist. Wer diesen Betrag investieren will, dem rät Oberg zu einem griechischen Öl: "Für diesen Preis gibt es bereits sehr gute Qualität". Italienisches Öl ist teurer, dafür aber auch geschmacklich vielfältiger. "Verbraucher müssen mit bis zu 30 Euro pro Liter für ein ausgezeichnetes Produkt rechnen".

Romantik und Folklore

"Es gibt auch schon gutes italienische Öl für zehn bis 15 Euro", sagt dagegen Lebensmittelchemiker Gertz. Bei höheren Preisen riskiere der Verbraucher Geld für Folklore und Romantik auszugeben, die im schlimmsten Fall mehr schaden als nutzen. Denn besonders teuer ist oft das Öl aus den kleinen, handwerklich arbeitenden Mühlen. Dies klingt anheimelnd, doch bei solchen Mühlen werden die Oliven langsam verarbeitet, die Früchte lagern unnötig lange. "Eine Olive aber wird mit jeder Stunde, die sie herumliegt, schlechter", sagt Gertz.

Lange Zeit schnitten auch Bio-Öle in den Geschmackstest eher schlechter ab. Die Nachfrage war nicht so groß, die Mühlen stellten daher auch andere Öle her, Oliven mussten lagern, bis sie an die Reihe kamen. Möglicherweise ändert sich das mit der größeren Nachfrage nach Bio-Produkten. Dennoch sieht Gertz die Vorteile eines Bio-Öls als eher gering an. Pestizide und chemische Dünger - mit deren Verzicht Bio-Produzenten werben - kommen in Olivenplantagen ohnehin kaum zum Einsatz. Wem die Öko-Bilanz am Herzen liegt, kann auf ein Öl mit geschützter Ursprungsbezeichnung (italienisch DOP) zurückgreifen. Bei ihnen weiß er, welchen Weg das Öl hinter sich hat und kann unnütze Transporte ausschließen.

Nichts kann Sicherheit vor ausgefuchsten Fälschern bieten. Aber mit einigen Tricks ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man wirklich gutes Öl erwischt.

Aussagekräftiges Etikett: "Ein gutes Zeichen ist, wenn möglichst viele präzise Angaben auf dem Etikett stehen", sagt Gertz. Das spricht dafür, dass Hersteller nichts zu verbergen haben. Interessant ist vor allem das Erntejahr, das einige Hersteller freiwillig aufs Etikett drucken. "Öl ist kein Wein, es wird nicht besser durch Lagerung", sagt Gertz. Je frischer es ist, desto besser die Qualität. Die neuen Öle kommen etwa ab März in die deutschen Geschäfte. Wer sich ein wirklich teures Öl leisten will, hat mehr davon, wenn er bis dahin wartet.

DOP-Öle: Italienische Öle mit dem Aufdruck DOP (geschützte Ursprungsbezeichnung) haben in der Regel eine gute Qualität. "Diese Gebiete haben ein Selbstkontrollsystem", sagt Gertz.

Fruchtiger Geruch: In Spezialgeschäften können Öle probiert werden. Alternativ kann man auch sein heimisches Öl diesem Test unterziehen: "Gießen Sie einen kleinen Schluck Olivenöl in einen Cognac-Schwenker. Decken sie ihn zu und erwärmen sie das Öl kurz mit der Hand", erläutert Gertz: "Dann entfernen Sie die Abdeckung. Steigt Ihnen ein intensiver, fruchtiger Duft in die Nase, ist es ein gutes Öl. Riecht es wie irgendein Öl, können sie es vergessen".

Bitterer Geschmack: Hartgesottene trauen sich auch an eine Verkostung. Allerdings kann der pure Geschmack zu Fehleinschätzungen führen: "Ein gutes Olivenöl schmeckt pur bitter und scharf. Viele Menschen halten dies für einen Makel. Doch dies ist falsch. Dieser Geschmack verliert sich am Salat", sagt Gertz.

Letztlich hängt es an persönlichen Vorlieben und finanziellen Ressourcen, ob der Verbraucher drei oder 50 Euro für ein Olivenöl ausgibt - oder sich ganz anders entscheidet. Denn die gesundheitlichen Vorteile bietet auch das schlichte einheimische Rapsöl.

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