Ernährung:Gesunde Bakterien auf dem Salat

Lesezeit: 4 min

Manche Keime auf Salat und Gemüse sind zwar gefährlich. Aber unzählige Mikroben scheinen unsere Gesundheit zu schützen.

Von Kathrin Burger

Auf einen guten Salat gehören ein aromatisches Olivenöl, etwas Essig, dazu Salz, Pfeffer und eine gut sortierte Auswahl Bakterien.

Wie bitte, Bakterien? Ja, auf Blattsalaten und vielen Gemüsesorten siedeln tatsächlich unzählige Mikroorganismen, und das ist meistens auch gut so. Nur in seltenen Fällen wie bei der Ehec-Epidemie im Frühjahr sind die Keime für Verbraucher gefährlich. Stattdessen berichten Wissenschaftler immer häufiger, dass die Mikroben auf Salat und Gemüse die Gesundheit von Menschen sogar schützen könnten.

Was in der sogenannten Phyllosphäre lebt, mag unter dem Mikroskop und in der Vorstellung der Menschen zwar ziemlich eklig aussehen, ist aber tatsächlich eine wünschenswerte Zutat zur Gemüsekost. Zumindest in der Theorie gelangen die Keime mit den Speisen in den Darm und kooperieren dort mit der Mikroflora. Indizien dafür gibt es bereits: Grünkost-Fans sind in der Regel gesünder und leben länger als Menschen, die eine fleischlastige Kost bevorzugen.

Zwar sollen lösliche Ballaststoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe die Gefäße gesund halten und gegen Krebs schützen. Doch das ist bislang nicht zweifelsfrei bestätigt worden. Bekannt ist hingegen, dass Vegetarier auch abseits ihrer Ernährung in der Regel einen gesünderen Lebensstil pflegen.

Doch nun diskutieren Forscher, ob nicht die Untermieter auf Salatblättern und Gemüse eine bisher unterschätzte Rolle spielen. "Aktuelle Studien zeigen, dass die Gesundheit von der Zusammensetzung der Darmflora mitbestimmt wird", sagt Alexander Haslberger, Ernährungswissenschaftler an der Universität Wien.

Am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren untersucht die Biologin Silke Ruppel, womit Gemüsearten besiedelt sind. Erste Ergebnisse zeigen, dass das mikrobielle Muster stark von der Blattform aber auch von sekundären Pflanzenstoffen abhängt, mit denen sich Pflanzen gegen Schädlinge wehren.

Das Bakterium Enterobacter radicincitans siedelt zum Beispiel gerne auf den Blättern von Weißkohl und Pok Choi, die reich an sogenannten Alkenyl-Glucosinolaten sind. Andere sekundäre Pflanzenstoffe und deren Produzenten meidet das Bakterium, auf Wasserkresse fühlt es sich zum Beispiel nicht wohl.

In anderen Studien zeigten Forscher, dass auch das Alter der Wirtspflanzen eine Rolle spielt, so sind junge Blätter dünner mit Keimen besiedelt. "In gemäßigtem Klima sind lediglich zwei bis fünf Prozent der Blattoberflächen besiedelt", sagt Thomas Müller, Biologe am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung.

Zudem finden sich die Bakterien nicht gleichmäßig verteilt auf den Blättern, sondern gruppieren sich entlang von Blattrippen oder um Spaltöffnungen herum, weil dort am meisten Wasser verfügbar ist.

Aber warum funktionieren diese Wohngemeinschaften? Beide Seiten haben Vorteile. Bakterien wie E. radicincitans oder Bacillus subtilis fixieren lebenswichtige Nährsubstanzen wie Stickstoff aus der Luft oder versorgen die Pflanzen außerdem mit Mineralien. Andere Mikrohelfer bilden Wachstumshormone oder halten der Pflanze Schädlinge vom Leib. Die Mikroben erhalten im Gegenzug von ihrer Wirtspflanze vor allem Zucker und Wasser.

Die Verbraucher könnten auch Vorteile davon haben. Der Wiener Forscher Haslberger unterstellt zum Beispiel sogenannten Milchsäurebakterien einen gesundheitlichen Nutzen. Von den Keimen Leuconostoc und Lactobacillus entdeckte er in einer Studie im Schnitt 105 Individuen pro Gramm Salat.

Dass Milchsäurebakterien gut für Darm und Immunsystem sind, ist belegt. Zudem könnten gute Mikroben auch vor Allergien schützen. "Durch die industrielle Produktionsweise werden die Lebensmittel immer steriler. Deshalb gibt es immer mehr Allergien", ist Haslberger überzeugt. Auf Bioprodukten fand Haslberger zumindest mehr Milchsäurebildner als in konventioneller Ware. In einer anderen kleinen Studie fand der Forscher Hinweise darauf, dass die Darmflora von Vegetariern anders beschaffen ist. Bei diesen gibt es demnach weniger Keime im Verdauungstrakt, die krebserregende Substanzen bilden.

Doch nicht nur durch ihren Einfluss auf die Darmflora könnten Mikroorganismen auf Gemüse und Salat wünschenswert sein. Die guten Keime sind nämlich auch in der Lage, gefährliche Erreger wie Listerien, Pseudomonaden oder Escherichia coli auf dem Grünzeug in Schach zu halten. So hemmen aus Obst und Gemüse isolierte Laktobazillen das Wachstum von Listerien auf Eisbergsalat, hat Jutta Zwielehner von der University of Queensland kürzlich beobachtet.

Andere Studien haben den Milchsäurebildnern auch eine Wirkung gegen Ehec bescheinigt, so verlängerte das Bakterium Bifidobacterium lactis die Überlebensrate von infizierten Ratten.

Doch leider beschädigt der Mensch die Wohngemeinschaften auf Salatblättern und setzt sich so Gefahren aus. Besonders durch Verletzungen der Pflanze - etwa während küchenfertige Salate hergestellt werden - verändert sich die normale Phyllosphäre und schädliche Keime können sich vermehren.

Durch Schneiden tritt Zellsaft aus den Blättern aus und macht Nährstoffe verfügbar. Hohe Luftfeuchte in Plastikverpackungen verbessert die Wachstumsbedingungen zusätzlich.

Gleichzeitig werden Enzyme frei, die manche Bakterien hemmen oder andere zu einer sprunghaften Vermehrung anregen. Daher lässt sich bislang nicht pauschal sagen, ob die angestammte Flora einen wirksamen Schutz gegen jeglichen Krankmacher bietet. Klar ist nur: Küchenfertigen Salat sollte man nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums nicht mehr konsumieren.

Konkreten Rat bieten Wissenschaftler jedoch in Sachen Hygiene im Haushalt. Waschen und Putzen von Gemüse unter fließendem Wasser trägt nämlich nicht nur Schmutz und Pestizide ab, auch pathogene Keime werden großteils entfernt, weil sie an die Blattoberfläche nicht besonders gut angepasst sind.

Die gesunde Besiedlung beeinträchtigt das Wasser jedoch kaum. "Bakterien leben teilweise in interzellulären Räumen, also nicht auf der Blattoberfläche, sondern im Zellgewebe", sagt Silke Ruppel. Andere besiedeln mikroskopisch kleine Nischen und Falten, wo Wasser alleine sie nicht loslösen kann.

Wer das Gemüse kocht, tötet hingegen alles Leben auf dem Salat, gute wie böse Keime. Die Biologin Ruppel plädiert deshalb dafür, hin und wieder Rohkost zu essen: "Sauerkraut und auch anderes Gemüse sollten häufig ungekocht gegessen werden."

Sie schätzt, dass die Vorteile der gutartigen Keime das Infektionsrisiko durch unerwünschte Mikroben auf Gemüse überwiegen. "Hierzulande haben wir sehr sichere Produktionsbedingungen." Wer dennoch lieber Gemüsesuppe isst, bekommt womöglich in Zukunft Hilfe aus Ruppels Labor. Die Forscherin hofft, dass sich mit Hilfe ihrer Studien ein pflanzenbasiertes Probiotikum entwickeln lässt.

© SZ vom 11.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: